DUISBURG (dpa-AFX) - Noch vor kurzem war die Aktie des Stahlhändlers Klöckner & Co für Anleger so attraktiv wie der Glöckner von Notre Dame. Mehrere Gewinnwarnungen beförderten den Wert zwischenzeitlich auf neue Allzeittiefs. Alleine von April bis Juli ging es um rund 40 Prozent nach unten. Doch seit Übernahmehoffnungen die Runde machen, mausert sich das hässliche Entlein. Auch Analysten erwärmen sich wieder für den Duisburger Distributor.

DAS IST LOS BEI KLÖCKNER:

Es spricht für sich, dass erst eine mögliche Übernahme der Klöckner-Aktie wieder Leben eingehaucht hat. Denn was das laufende Geschäft und die Kommunikation mit den Investoren angeht, hat der Stahlhändler Vertrauen verspielt. Noch im März hatte das Unternehmen vollmundig verkündet, im laufenden Jahr solle dank höherer Stahlpreise der Umsatz und der operative Gewinn (Ebitda) steigen. Analysten waren erfreut und Anleger griffen zu.

Doch schon Ende April sah die Welt ganz anders aus. Der Stahlhändler warnte vor einem schwachen operativen Gewinn im laufenden Jahr. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sollte "vor wesentlichen Sondereffekten" nur noch bei 180 bis 200 Millionen Euro liegen. Zuvor hatte Klöckner beim Ebitda einen Wert über dem Vorjahr von 227 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Dass sich die Begeisterung der Analysten über die Rochaden in Grenzen hielt, überrascht nicht. Auf die Warnung im April hagelte es negative Kommentare. Doch nicht nur hausgemachte Probleme machten dem Stahlhändler zu schaffen. Auch aus der Stahlbranche gab es kräftig Gegenwind. Rezessionssorgen, Überkapazitäten und der daraus resultierende Preisdruck ließen Zahlen und Kurse absacken. Eine weitere Gewinnwarnung Ende Juli, nach der Klöckner nur noch von einem bereinigten Ebitda von 140 bis 160 Millionen Euro für das Geschäftsjahr ausgeht, drückte die Aktie zwar auf ein Allzeittief, kam angesichts des schwachen Umfelds aber nicht mehr aus heiterem Himmel.

Die niedrige Bewertung durch den Kursrutsch hatte indes einen anderen Effekt. Nachdem Analyst David Varga vom Bankhaus Metzler die Aktie schon kurz nach der zweiten Warnung als Schnäppchen bezeichnet hatte, ließen Spekulationen auf eine Übernahme nicht mehr lange auf sich warten. Ende August war es soweit: Das "Handelsblatt" berichtete über einen möglichen Kauf des Stahlhändlers durch den Stahlproduzenten und Industriekonzern Thyssenkrupp. Ganz neu war die Idee nicht, denn bereits im Juni hatte das "Manager Magazin" über eine mögliche Übernahme nachgedacht. Trotzdem reichte es für einen Kurssprung, zumal der Bericht auf Gespräche zwischen den Unternehmen verwies. Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff hatte zudem mehrfach erklärt, "Konsolidierungsoptionen" für die Stahlgeschäfte zu prüfen.

Doch damit nicht genug. Inzwischen mehren sich auch die Zeichen, dass die Talsohle für Stahlwerte durchschritten ist. So äußerte Analyst Carsten Riek von Credit Suisse in einer Studie die Hoffnung, dass der zyklische Abschwung der Stahlbranche in den letzten Zügen liege. Die erneute Gewinnwarnung von Klöckner aus dem Juli könnte daher eher das Ächzen eines Genesenden als das Röcheln eines Darbenden sein.

DAS SAGEN ANALYSTEN: Angesichts mehrerer Gewinnwarnungen und dem Kursdesaster mag es überraschen, dass keiner der 15 von Bloomberg erfassten Analysten zum Verkauf rät. 40 Prozent haben Klöckner & Co mit "Halten" eingestuft, 60 Prozent sogar mit "Kaufen". Die Erklärung ist einfach: die Aktie war zeitweise so tief gefallen, dass sie unter allen Kurszielen der Experten lag. Weniger als die Empfehlung "Halten" war daher nicht angebracht.

Nach der Gewinnwarnung im Juli passten einige Häuser ihre Schätzungen und die Ziele zwar nach unten an. Zu einer Verkaufsempfehlung konnte sich aber niemand durchringen. Im Gegenteil: Aus den kurz nach der Gewinnwarnung erreichten Allzeittiefs schöpften die Analysten neue Hoffnung. "Die niedrige Kurs-Buchwert-Bewertung könnte in nächster Zeit Übernahmespekulationen nähren", schrieb Dirk Schlamp von der DZ Bank Ende Juli.

Noch weiter ging Marc Gabriel vom Bankhaus Lampe. Der Analyst hob Klöckner Anfang August auf "Kaufen" und erhöhte das Kursziel von 5,00 auf 7,00 Euro. Dies begründete Gabriel nicht nur mit den extremen Kursverlusten, sondern auch mit den verbesserten Aussichten. Auf Sicht eines Jahres sollten sich die Stahlpreise erholen und die Autoindustrie als wichtiger Abnehmer von Stahl zumindest stabilisieren.

Günstige Vorzeichen für den Stahlsektor sorgen auch bei der Credit Suisse für Zuversicht. Carsten Rieker bezeichnete Klöckner in einer Studie von Anfang September als frühzyklischen Wert, mit dem sich eine Erholung spielen lasse. Die aktuelle Bewertung preise zu niedrige Erwartungen an den operativen Gewinn ein. Mit einem Ziel von 7,20 Euro liegt Rieker sogar noch über dem von Bankhaus Lampe.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Kursverlauf spiegelt die Einschätzung der Analysten wider. Nach dem Ausverkauf der vergangenen zwölf Monate scheint die Aktie sich zu fangen. Bei genauem Hinsehen lässt sich im Chartbild sogar ein Doppelboden ausmachen - eine Konstellation, die technische Analysten als günstiges Zeichen interpretieren. Von hier aus hat die Aktie seit Mitte August einen noch jungen Aufwärtstrend ausgebildet.

Interessanter ist aber ein Blick in die Vergangenheit. Seit 2011 befindet sich Klöckner & Co zwar in einer Seitwärtsbewegung, doch die hat es in sich. Zwischen dem Allzeittief bei rund 4,20 Euro und der oberen Begrenzung von 13 Euro hat die Aktie Raum für starke Kursbewegungen, ohne dass sich damit an der Handelsspanne etwas ändern würde. Wer noch weiter zurückgeht, wird zwar noch weit höhere Kurse entdecken. Doch die sind selbst bei einer Konjunkturerholung und einen Übernahmeangebot wohl nicht mehr so schnell erreichbar./mf/nas/jha/