(neu: Einordnung und Hintergrund zu chinesischen Investitionen in Europa)

BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung verhindert den Einstieg Chinas in die deutsche Stromversorgung. Die Staatsbank KfW erwirbt einen Anteil von 20 Prozent am Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und sticht damit den chinesischen Staatskonzern SGCC aus. Die Bundesregierung habe aus "sicherheitspolitischen Erwägungen ein hohes Interesse am Schutz kritischer Energieinfrastrukturen", teilte das Wirtschaftsministerium am Freitag mit. Bevölkerung und Wirtschaft erwarteten eine zuverlässige Energieversorgung.

Damit setzt Deutschland ein bedeutsames politisches Signal. Denn chinesische Investoren sind auf Einkaufstour in Deutschland und Europa, vor allem bei Zukunftstechnologien und in strategisch wichtigen Bereichen. SGCC ist der staatliche chinesische Netzbetreiber und lag 2017 mit fast 350 Milliarden Dollar Umsatz und 1,6 Millionen Mitarbeitern auf Platz zwei der "Fortune Global 500"-Liste der weltgrößten Unternehmen.

SGCC macht kein Geheimnis daraus, dass der Riesenkonzern der Kommunistischen Partei dient: "Die Führung der Partei zu stützen, die Aufbauarbeit der Partei zu stärken, sind Wurzel und Seele staatlicher Unternehmen", heißt es auf der SGCC-Webseite. Der Konzern hat bisher Beteiligungen unter anderem in Italien und in Portugal gekauft.

Im Frühjahr war in einem ersten Schritt bereits ein erster Versuch der Chinesen gescheitert, bei 50Hertz einzusteigen. Anstelle von SGCC hatte der Mehrheitseigner von 50Hertz, der belgische Versorger Elia, weitere Anteile übernommen. Die Belgier erhöhten damit ihren Anteil auf 80 Prozent.

Der chinesische Staatskonzern hatte aber dem Vernehmen nach auch Interesse an dem verbleibenden Minderheitsanteil von 20 Prozent. Elia machte nun erneut von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und erwarb das Paket vom australischen Investmentfonds IFM, wie das Unternehmen mitteilte. Dieser Anteil wird nun unverzüglich zu denselben Bedingungen an die KfW weiterverkauft. Das Wirtschaftsministerium sprach von einer "Brückenlösung" - die Anteile sollten perspektivisch weiterveräußert werden.

Kritik kam vom Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), der offensichtlich eine chinesische Retourkutsche zum Nachteil deutscher Unternehmen in der Volksrepublik fürchtet: "Eine derartige Einzelfallentscheidung birgt die Gefahr, das Klima für Auslandsinvestitionen zu beeinträchtigen", sagte Stefan Mair, Mitglied der BDI-Hautgeschäftsführung. "Deutschland ist wie kaum ein anderes Industrieland auf internationale Investitionsfreiheit angewiesen."

China versucht seit Jahren, einerseits über Firmenkäufe ausländische Spitzentechnologie zu übernehmen und andererseits über Investitionen in die europäische Infrastruktur politischen Einfluss zu gewinnen. Das Hauptvehikel dafür ist die "neue Seidenstraße", von Peking als "Belt and Road"-Initiative beworben.

Ein Hauptziel der Initiative ist Osteuropa, wo China die Finanzierung von Autobahnen und Eisenbahnlinien angeboten hat. Allein in diesem Jahr sind chinesische Firmen mit jeweils dreistelligen Millionensummen an drei großen Energieprojekten in der Ukraine beteiligt. Insgesamt haben chinesische Firmen nach Berechnungen der konservativen US-Denkfabrik American Enterprise Institute seit 2008 über 350 Milliarden Dollar in Europa investiert.

Die kritischen Stimmen aber mehren sich: "Es ist der letzte Moment zu handeln. China kann uns überrollen", sagte kürzlich Chinaexperte Mikko Huotari, Leiter des Programms internationale Beziehungen beim China-Forschungsinstituts Merics.

Aktiv wird die Bundesregierung auch in einem zweiten Fall. Wie am Donnerstag bekannt geworden war, legte die Regierung ihr Veto gegen den Verkauf des westfälischen Werkzeugmaschinenherstellers Leifeld Metal Spinning an chinesische Investoren ein. Ein entsprechender Bericht der "Wirtschaftswoche" wurde in Koalitionskreisen bestätigt. Grund sei, dass ein Verkauf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschland gefährden könne. Das Kabinett wolle am 1. August einen entsprechenden Beschluss treffen.

Das Ahlener Unternehmen beschäftigt laut "Wirtschaftswoche" rund 200 Mitarbeiter. Die Firma sei Technologieführer bei hochfesten Materialien, die in der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen, aber auch im Nuklearbereich verwendbar seien.

Es wäre das erste Mal, dass Deutschland die neue Außenwirtschaftsverordnung anwendet und den Einstieg ausländischer Investoren auf dieser Grundlage verbietet. Die Bundesregierung hatte 2017 ihr Vetorecht gegen die Übernahme strategisch wichtiger Firmen durch ausländische Investoren ausgebaut und damit auf mehrere Firmenübernahmen chinesischer Unternehmen reagiert.

Auch auf EU-Ebene wird derzeit darüber diskutiert, chinesische Übernahmen zu erschweren. In Deutschland sind Unternehmen aus der Volksrepublik vor allem an Schlüsseltechnologien wie Robotik, Maschinen- und Anlagenbau oder Biomedizin interessiert. Offizielles Ziel Pekings ist es, bis Mitte des Jahrhunderts in sämtlichen wichtigen Industriesparten die technologische Weltführung zu übernehmen. Am meisten Aufsehen erregte bislang 2016 die milliardenschwere Übernahme von Kuka, einem führenden Hersteller von Industrierobotern. Käufer war der chinesische Hausgerätehersteller Midea./hoe/DP/jha