NÜRNBERG (dpa-AFX) - Der angeschlagene Kabelspezialist und Autozulieferer Leoni treibt seinen Umbau voran. Um wieder in die Spur zu kommen, will sich das fränkische Traditionsunternehmen von seiner Sparte zur Produktion von Drähten, Kabeln und Verbindungslösungen (WCS) trennen, wie Leoni am frühen Mittwochmorgen in Nürnberg mitteilte. Neben einem kompletten Verkauf der Kabelsparte kämen laut Mitteilung auch ein Anteilsverkauf oder ein Börsengang des Segments in Betracht. Künftig will sich der SDax-Konzern auf die Weiterentwicklung des zwar deutlich größeren, aber zuletzt klar defizitären Bordnetzbereichs (WSD) konzentrieren.

Der seit September vergangenen Jahres amtierende Leoni-Vorstandschef Aldo Kamper hatte zuvor bereits angekündigt, die bestehenden Konzernstrukturen kritisch zu hinterfragen und alle Geschäftsbereiche mit Blick auf ihre Zukunftsperspektiven auf den Prüfstand zu stellen. Das Ergebnis dieser eingehenden Prüfung soll nun die Trennung von der Sparte für Kabel- und Verbindungslösungen sein.

Leoni sehe momentan nur sehr wenig Synergien zwischen der Kabel- und Bordnetzsparte und wolle deren operative Unabhängigkeit erhöhen, teilte der Konzern mit. Eine endgültige Entscheidung, ob es zum Komplett-, Anteilsverkauf oder Börsengang der Kabelsparte kommt, stehe noch aus.

Ungeachtet dessen sollen beide Unternehmensbereiche von der Trennung profitieren, sagte Aldo Kamper. Es würden zwei klar fokussierte Geschäftsbereiche geschaffen, die individuelle Markt- und Technologieentwicklungen sowie Investitionen besser und schneller umsetzen könnten, erklärte der Niederländer. Die Trennung von der Kabelsparte solle zudem dazu beitragen, den Bordnetzbereich strategisch weiterzuentwickeln und das operative Geschäft weiterzubringen.

In ihrer größeren Sparte haben die Franken aktuell große Probleme. Die Bordnetzsparte, die vorwiegend für die Autoindustrie fertigt, liefert nur unzureichende Ergebnisse und fuhr zuletzt einen dicken Verlust ein. Viele Aufträge werfen kaum Gewinn ab und die Auftragsflut konnte mit den vorhandenen Kapazitäten nur schlecht bewältigt werden. Nach einem Plus von 42 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum lag das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) im ersten Quartal hier denn auch bei minus 139 Millionen Euro.

In der Sparte für Kabelnetze und Verbindungslösungen sah es zwar etwas besser aus. Allerdings brach der operative Gewinn hier ein. Konzernweit verbuchte Leoni im ersten Quartal daher unter dem Strich einen Verlust von 132 Millionen Euro.

Für Analyst Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan sind Leonis Pläne für die Kabelsparte ein wichtiger strategischer Schritt. Beide Unternehmensbereiche hätten dann mehr operative Freiheiten, schrieb der Experte. Zudem wäre laut Asumendi die Transparenz besser. Aus Sicht des Analysehauses Mainfirst würde ein Verkauf der Kabelsparte Leoni finanziell etwas entlasten und deshalb positiv aufgenommen werden. Allerdings verwies Analyst Alexander Wahl darauf, dass die operativen Probleme und Verluste der vergangenen Jahre vor allem in der bei Leoni verbleibenden Bordnetzsparte aufgetreten seien. Damit würden die Franken ihr Tafelsilber verkaufen.

An der Börse kommt der anhaltende Abwärtssog des Zulieferers schlecht an. Seit Jahresbeginn haben die Leoni-Papiere fast 55 Prozent an Wert verloren. In den zurückliegenden zwölf Monaten steht sogar ein Verlust von rund 68,5 Prozent zu Buche. Die Nürnberger gehören damit zu den Schlusslichtern im Nebenwerte-Index SDax. Seit dem Rekordhoch von 66,20 Euro Anfang 2018 haben die Papiere rund vier Fünftel ihres Wertes eingebüßt. Die jetzt angekündigte Trennung von der Kabelnetz-Sparte sorgte bei den Investoren aber für sich aufhellende Gesichter. Kurz nach Handelsbeginn gewannen die Anteilsscheine 5,6 Prozent und notierten bei 14,46 Euro.

Um der Gefahr klammer Kassen begegnen zu können will Leoni weiter am "bestehenden Refinanzierungsbedarf" arbeiten und dabei alle Optionen in Betracht zu ziehen. Eine Möglichkeit könnte dabei sein, den Kapitalmarkt anzuzapfen und sich frisches Geld über eine Kapitalerhöhung zu besorgen. Schon seit längerem steht seitens der Anleger die Befürchtung vor einer massiven Kapitalerhöhung im Raum, die nicht zuletzt durch Analystenstudien geweckt wurde. Damit einhergehend könnten erhebliche Verwässerungsverluste drohen.

Leoni leidet wie viele weitere Zulieferer unter der schwächelnden Automobilindustrie und hat zudem mit verschiedenen hausgemachten Problemen zu kämpfen. So funktionierte etwa der Anlauf im neuen Werk im mexikanischen Merida nicht wie geplant und kostet den Konzern Dutzende Millionen Euro. Und die Verlässlichkeit der internen Meldesysteme bereitet den Nürnbergern zusätzliche Sorgen. Kamper muss die Strukturen und das interne Berichtswesen umkrempeln.

Nach gleich mehreren Gewinnwarnungen will der Vorstandschef im Zuge eines bereits eingeleiteten Sparprogramms bis 2022 die Kostenbasis um 500 Millionen Euro jährlich senken und das Unternehmen wieder rentabel machen. Insgesamt sollen 2000 Stellen wegfallen, davon 500 in Hochlohnländern wie Deutschland. Weltweit beschäftigt Leoni mehr als 90 000 Mitarbeiter. Der Umbau soll insgesamt 120 Millionen Euro kosten, verbucht war davon bisher allerdings noch nichts./eas/men/mis