Der ehemalige Osram-Manager will verhindern, dass Leoni im zweiten Halbjahr weiter Geld verliert, nachdem sich der Schuldenberg des Unternehmens innerhalb von zwölf Monaten auf 1,2 Milliarden Euro verdoppelt hat. "Wir sind auf dem richtigen Weg, sind uns aber bewusst, dass große Herausforderungen vor uns liegen", fasste Kamper die Lage zusammen. Mit roten Zahlen rechnet Leoni auch zum Ende des Jahres. Der Mittelabfluss sei aber bereits im zweiten Quartal deutlich gebremst worden. Der Sanierungsexperte Hans-Joachim Ziems, der unter anderem schon die Werkstattkette A.T.U und den Holzverarbeiter Pfleiderer gerettet hat, soll Leoni nun beraten, wie Kamper bestätigte.

Kamper baut dabei auf die "Selbstheilungskräfte" von Leoni: "Wir brauchen weder einen Arzt noch einen Pfarrer." Ein großes Sparprogramm mit einem Abbau von 2000 Stellen, ein gedrosseltes Wachstum in der Bordnetz-Sparte und die Trennung von der Draht- und Kabel-Sparte sollen den Konzern stabilisieren. Der für 2020 geplante Verkauf oder Börsengang der kleineren Sparte sei nicht dazu gedacht, Geld in die Kasse zu bekommen, sagte Kamper. "Das ist keine Liquiditätsmaßnahme." Es gebe keinen Zeitdruck. Wohin die Reise für das Kabel-Geschäft geht, sei noch offen. "Wir halten alle Optionen für machbar."

Die Kosten für den Stellenabbau von 120 Millionen Euro seien bereits in der Liquiditätsplanung berücksichtigt. Kamper sieht sogar die Chance, einen im Frühjahr 2020 fälligen Schuldschein über 200 Millionen Euro, an dessen Refinanzierung seit Monaten gearbeitet wurde, aus den flüssigen Mitteln zurückzuzahlen. Der Leoni-Vorstand hatte sich vergangene Woche mit seinen Gläubigern getroffen. Teilnehmern zufolge wurde dort vereinbart, dass Leoni zunächst ohne frisches Geld auszukommen versucht.

KAMPER WILL UNGEORDNETE EXPANSION BREMSEN

Die rasante Expansion der vergangenen Jahre ist dem Konzern nach Kampers Ansicht über den Kopf gewachsen. So verschlangen allein Anlaufschwierigkeiten in einem neuen Werk für Kabelbäume im mexikanischen Merida im ersten Halbjahr 59 Millionen Euro. Kamper will in der Bordnetz-Sparte, die fast ausschließlich die Autoindustrie beliefert, nur noch profitable Aufträge annehmen, maximal drei Milliarden Euro in diesem Jahr. "Wir sehen keinen Bedarf mehr, die Kapazitäten ab 2021 zu erweitern."

Im laufenden Jahr will Leoni den operativen Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) auf rund 50 Millionen Euro begrenzen. Dazu kommen Abschreibungen und die Kosten für das Sparprogramm, die sich bereits im ersten Halbjahr auf rund 120 Millionen Euro summierten. Der Nettoverlust lag bei 176 (Vorjahr: plus 84) Millionen Euro. Der Abfluss von liquiden Mitteln (Free Cash-flow) soll 2019 bei maximal 400 Millionen Euro liegen, nach sechs Monaten waren es bereits 385 Millionen. Der Umsatz werde "moderat unter Vorjahr" liegen. Im ersten Halbjahr schrumpfte er wegen der geringeren Nachfrage nach Bordnetzen und Kabeln aus der Autoindustrie um 5,5 Prozent auf 2,65 Milliarden Euro.