NÜRNBERG (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Kabelspezialist Leoni steht nach einem schwachen Geschäftsjahr vor einem Scherbenhaufen. Der seit September amtierende neue Chef Aldo Kamper muss nun deutlich stärker aufräumen als gedacht, wie er am Freitag in einer Telefonkonferenz mit Analysten und Investoren sagte. Das schwache Geschäftsumfeld und Schwierigkeiten in der Bordnetzsparte machen dem im SDax notierten Nürnberger Konzern so sehr zu schaffen, dass nun sogar die Dividende gestrichen wird - und die Mittelfristziele gleich mit.

Noch zum Beginn des vergangenen Jahres hatte Leoni für die kommenden Jahre gute Aussichten präsentiert: Die starken Auftragseingänge der Vorjahre sollten sich 2019 und 2020 in höheren Wachstumsraten auszahlen, 2020 sollte die operative Marge (Ebit) mindestens 5 Prozent erreichen. Doch nun fallen dem Unternehmen die Anlaufkosten für die neuen Projekte auf die Füße, das Hochfahren eines Werks in Mexiko macht gehörige Probleme und kostet mehr als gedacht. Die Aktie stürzte am Freitag zeitweise um mehr als ein Viertel ab und markierte den niedrigsten Stand seit Herbst 2011.

Unter anderem seien neben den höheren Kosten in Mexiko auch Einsparziele nicht erreicht worden, hieß es. "Unseren internen Berichtssystemen fehlt es klar an Transparenz", musste Finanzchef Karl Gadesmann gegenüber den Analysten eingestehen. Die Probleme sollen nun schnell angegangen werden. Kamper und Gadesmann wollen sich zudem stärker in das Tagesgeschäft der Bordnetzsparte von Manager Martin Stüttem einbringen - und diesen "unterstützen", wie Kamper sagte.

Mit den vorläufigen Zahlen zum Vorjahr schnitt Leoni deutlich schwächer ab als zuletzt prognostiziert, und auch die angedeuteten Ergebnisaussichten im gerade begonnenen Jahr werden schmerzlich verfehlt. Angepeilt hatte Leoni für 2018 rund 196 Millionen Euro Ergebnis vor Zinsen und Steuern - nun waren es am Ende laut vorläufigen Zahlen nur 144 Millionen Euro, ein Rückgang von mehr als einem Drittel. Im vierten Quartal verzeichnete Leoni sogar einen operativen Verlust von 19 Millionen Euro.

Im November noch hatte die Leoni-Führung in Aussicht gestellt, 2019 ein Ergebnis leicht über dem damals noch geplanten Wert für 2018 zu erzielen. Statt rund 200 Millionen werden es nun laut Management aber nur 100 bis 130 Millionen - und davon gehen noch Kosten für das neue Umbau- und Strategieprogramm von Kamper ab, das er am 19. März vorstellen will.

Das Urteil von Händlern und Analysten am Markt fiel klar und deutlich aus. Das Ausmaß, in dem Leoni die Erwartungen verfehlt habe, sei "alarmierend", sagte Analyst Christian Glowa von der Bank Hauck & Aufhäuser. Es zeige, dass es dem Unternehmen ein Stück weit am Zugriff auf die eigenen Aktivitäten mangele. Das Gewinnziel für das laufende Jahr sei ein "Desaster", schrieb Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe.

Bereits Ende Oktober hatte Leoni seine Gewinnerwartungen für 2018 wegen der Schwäche des wichtigen chinesischen Automarktes, der Verunsicherung von Autokäufern durch die aktuellen Handelskonflikte und der Umstellung auf den neuen Abgas- und Verbrauchsstandard WLTP in Europa gesenkt.

Der freie Geldabfluss soll sich im neuen Jahr dank etwas geringerer Investitionen immerhin nicht verschlechtern, sondern auf dem Niveau von 2018 bleiben. Im vergangenen Jahr hatte das Unternehmen einen negativen Free Cashflow von 147 Millionen Euro zu verzeichnen. Für den Kapitalmarkt ist die Entwicklung der Zahlungsströme wichtig, um die Finanzkraft eines Unternehmens zu beurteilen - und dessen Fähigkeit, eine Dividende zu zahlen. Das Unternehmen habe in seiner Fremdfinanzierung keine Vereinbarungen (sogenannte "Covenants") geschlossen, die die Finanzierung abhängig von aktuellen Geschäftszahlen erschweren könnte, sagte Finanzchef Gadesmann.

Für 2017 hatte Leoni noch 1,40 Euro je Aktie an Dividende ausgeschüttet, diesmal gehen die Aktionäre wohl leer aus. Angesichts des Cashflows und der Verschuldungssituation wollen Vorstand und Aufsichtsrat der Hauptversammlung eine Nullrunde vorschlagen.

Der Umsatz lag 2018 mit 5,1 Milliarden Euro etwas höher als im Vorjahr. Im laufenden Jahr soll er auf rund 5,2 Milliarden Euro klettern. Allerdings beeinflusst der Kupferpreis den Erlös bei Leoni auch relativ deutlich, da das Unternehmen höhere Rohstoffpreise in hohem Maße an seine Kunden weitergibt./men/nas/mis