NÜRNBERG (dpa-AFX) - Beim angeschlagenen Kabel- und Bordnetzspezialisten Leoni lässt eine Trendwende weiter auf sich warten. Im Geschäftsjahr 2019 rutschte der Zulieferer wegen der Krise der Autobranche, des laufenden Konzernumbaus und Problemen bei einem Großauftrag noch tiefer in die roten Zahlen als ohnehin befürchtet. Vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei ein Verlust von 384 Millionen Euro angefallen, teilte das Unternehmen am Dienstag in Nürnberg auf Basis vorläufiger Zahlen mit. 2018 hatte hier noch ein Plus von 144 Millionen Euro gestanden.

Am Kapitalmarkt kamen die Nachrichten schlecht an. Die Leoni-Aktie verlor kurz nach Handelsbeginn rund acht Prozent und war damit Schlusslicht im Nebenwerteindex SDax. Experten hatten angesichts der bereits roten Zahlen in den ersten neun Monaten und der bekannten Probleme sowie hoher Umbaukosten mit einem Verlust gerechnet, jedoch nicht in dieser Höhe.

Für Anleger ist die Entwicklung der Aktie ohnehin verheerend. Im Jahr 2019 war das Papier mit einem Verlust von rund zwei Dritteln der schwächste Titel im Index der kleineren Unternehmen, der im selben Zeitraum rund ein Drittel an Wert hinzugewann. Auf längere Sicht sieht es für die Franken an der Börse noch schlechter aus: In den zurückliegenden fünf Jahren beziffert sich das Minus sogar auf rund 80 Prozent.

Grund für den hohen operativen Verlust von 2019 waren Schwierigkeiten bei einem Großprojekt. Aufgrund aktueller Erkenntnisse musste das Unternehmen eine Rückstellung von 80 Millionen Euro bilden und 20 Millionen Euro abschreiben. Der Umsatz ging um 6 Prozent auf rund 4,8 Milliarden Euro zurück und lag damit ebenfalls deutlich unter den Erwartungen von Branchenexperten.

Aus Sicht von Analyst Jose Asumendi von der US-Bank JPMorgan sind bei Leoni bislang keine Verbesserungen erkennbar. Auch ein Anziehen des Auftragseingangs in der Bordnetzsparte sei noch nicht zu sehen. Die deutlich schwächere Entwicklung der Draht- und Kabelsparte habe hauptsächlich zum Verfehlen der Ebit-Ziele beigetragen, befand der Experte. Der Fokus für Investoren solle nun auf dem Ausblick für den freien Mittelzufluss (Free Cashflow) 2020 liegen, schrieb Asumendi.

Fortschritte gab es im Schlussquartal immerhin bei der Liquidität. Die verfügbaren Mittel seien in den letzten drei Monaten um rund sieben Prozent auf 624 Millionen Euro gestiegen, teilte Leoni mit. Ende 2018 hatte der Konzern allerdings noch rund eine Milliarde Euro zur Verfügung gehabt.

Unternehmenschef Aldo Kamper sprach von einem besonders herausfordernden Geschäftsjahr. "Wir befinden uns weiterhin in einer Situation, in der wir konsequent arbeiten müssen, um Leoni wieder auf Kurs zu bringen", verdeutlichte der Niederländer. Er verwies auf die positive Entwicklung des Free Cashflows, der sich deutlich verbessert habe.

Zwar verlor das Unternehmen im abgelaufenen Jahr freie Barmittel in Höhe von 308 Millionen Euro. Allerdings lief das zweite Halbjahr besser, denn in der ersten Jahreshälfte hatte der Abfluss noch 385 Millionen Euro betragen. 2018 hatte der Abfluss freier Mittel jedoch nur bei 140 Millionen Euro gelegen. Der freie Barmittelzufluss ist eine von Analysten und Investoren viel beachtete Kennziffer, da sie Aufschluss über die Finanzkraft eines Unternehmens gibt. Ist er negativ, wird quasi Geld verbrannt.

Leoni bekam im abgelaufenen Geschäftsjahr nicht nur die anhaltend maue Autokonjunktur zu spüren, sondern hatte auch mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. So funktionierte etwa der Produktionsbeginn in einem Werk in Mexiko zu Jahresbeginn nicht richtig und belastete zusätzlich.

Im vierten Quartal konnte der Zulieferer den Umsatz mit 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr zumindest stabil halten. Der um Sondereffekte und Umbaukosten bereinigte operative Verlust vor Zinsen und Steuern (Ebit) weitete sich hingegen um 10 Millionen auf 16 Millionen Euro aus. Sowohl die Kabel- als auch die Bordnetzsparte waren im vergangenen Jahr deutlich von den anhaltenden Schwierigkeiten betroffen und mussten bei Umsatz und Ergebnis Federn lassen.

Mit seinem laufenden Umbau- und Sparprogramm will Leoni ab dem Jahr 2022 jährliche Kosteneinsparungen von 500 Millionen Euro brutto realisieren. Kamper hat im Konzern alles auf den Prüfstand gestellt und sucht nach weiteren Einsparpotenzialen. Bis Ende 2019 seien bereits 60 Prozent der geplanten Initiativen umgesetzt worden, hieß es. Seine vollständige Jahresbilanz will Leoni am 30. März vorlegen.

Nichts Neues gab es mit Blick auf den geplanten Verkauf der Kabelsparte. Leoni will sich von seiner kleineren Sparte trennen und sich künftig auf die größere, aber zuletzt defizitäre Bordnetzsparte konzentrieren, deren Weiterentwicklung vorangetrieben werden soll. Ende vergangenen Jahres hatte Kamper gesagt, dass sowohl strategische Investoren als auch Finanzinvestoren großes Interesse an der Kabelsparte zeigten und der Verkauf im Laufe des Jahres 2020 erwartet werde. Ein zunächst ebenfalls ins Auge gefasster Börsengang war zuletzt etwas in den Hintergrund gerückt./eas/stw/men