Dieser bemerkenswerte Umschwung bringt die Marktteilnehmer zum Nachdenken, zumal eine große Mehrheit der Analysten seit geraumer Zeit eine Neuausrichtung des Marktes im Zusammenhang mit einem Angebotsdefizit – Hauptgrund die Sanktionen gegen den Irak – erwartet hatte. Einige Analysten prognostizierten sogar einen Preis von 100 USD vor Jahresende.

Angesichts der Marktturbulenzen haben die Analysten ihre Modelle überarbeitet. Der neue Consensus suggeriert eine bevorstehende Ölkrise. So schnell ändern sich die Zeiten. Dieser Meinungsumschwung ist im Großen und Ganzen auf einen Anstieg der OPEC-Förderung zurückzuführen, die darauf abgezielt hatte, ein zurückgehendes iranisches Angebot auszugleichen. Zu diesem Rückgang ist es bislang jedoch nicht gekommen.  Gleichzeitig ist da das zunehmend wettbewerbsfähige  amerikanische "Schieferöl", welches von den Produzenten auf den Markt geworfen wird. Und natürlich lassen Prognosen hinsichtlich einer Verlangsamung der Weltkonjunktur, unter anderem vor dem Hintergrund des Handelskrieges zwischen den USA und China, Zweifel am Wachstum der Nachfrage aufkommen.

Das saudische Königreich versucht energisch die Volatilität in den Griff zu bekommen, indem es innerhalb der OPEC mit seinen Partnern einer neuerliche Produktionsanpassung vornimmt. Alle Erwartungen konzentrieren sich daher auf das nächste OPEC-Treffen, das am 6. und 7. Dezember stattfinden wird. Es ist nicht zu erwarten, dass die Volatilität bis zu diesem Zeitpunkt zurückgeht.

Auf der anderen Seite des Atlantiks kämpfen die US-Rohölexporte damit, mit der Produktion Schritt zu halten, was zu einem starken Anstieg der Öllagerbestände führt, die zum neunten Mal in Folge um fast 53 Millionen Barrel gestiegen sind. Eine der Konsequenzen davon besteht darin, dass sich der Spread von Brent - WTI deutlich ausgeweitet hat.

Aus charttechnischer Sicht hat der Durchbruch der 72 USD Marke zu einer heftigen Trendwende geführt. Die gleitenden Durchschnitte bei 20 und 50 Wochen haben bereits gedreht. Der Abwärtstrend scheint sich aber abzuschwächen. Eine Unterstützung befindet sich bei 62 USD. Diese könnte den kurzfristigen Abwärtsdruck etwas abdämpfen bevor es in Richtung 55 USD geht.