DARMSTADT (awp international) - Die Corona-Krise bereitet auch dem Pharma- und Chemiekonzern Merck KGaA mehr Probleme. Nach einem starken Jahresstart verlangsamte sich das Wachstum im zweiten Quartal deutlich. So bekam Merck etwa ein schwächeres Geschäft mit Fruchtbarkeitsbehandlungen sowie eine maue Nachfrage der Auto- und Kosmetikbranche zu spüren. Dafür zahlten sich die Übernahmen in den USA aus. Konzernchef Stefan Oschmann zeigte sich gleichwohl etwas zuversichtlicher und schloss nun einen Rückgang des Betriebsgewinns im Jahresverlauf aus. "Wir legen die Latte etwas höher", sagte er am Donnerstag in Darmstadt.

Während die Corona-Pandemie in China ihren Höhepunkt überschritten habe, erwartet Oschmann eine wirtschaftliche Erholung in den USA und Europa im zweiten Halbjahr. Dabei rechnet er mit einem lokalen Anstieg der Infektionszahlen, aber nicht mit grossflächigen Lockdowns, die Merck vor allem im April und Mai hart getroffen hatten. Das heisse aber nicht, dass nun alles wieder gut sei, betonte Oschmann. "Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei."

An der Börse kamen die Aussagen nicht gut an. Die Aktie büsste am späten Vormittag 2,29 Prozent auf 109 Euro ein. Das zweite Quartal habe den Erwartungen weitgehend entsprochen, schrieb Goldman Sachs-Analyst Krishna Chaitanya Arikatla in einer Studie. Der aktualisierte Ausblick liege ebenfalls in der Mitte der am Markt erwarteten Spanne. Auch JPMorgan-Experte Richard Vosser rechnet damit, dass sich an den Marktschätzungen nach dem aktualisierten Ausblick nichts ändern wird.

Im zweiten Quartal stieg der Umsatz von Merck im Jahresvergleich um 3,7 Prozent auf gut 4,1 Milliarden Euro, was aber vor allem den Übernahmen des US-Halbleiterzulieferers Versum Materials und des kalifornischen Materialspezialisten Intermolecular geschuldet war. Aus eigener Kraft ging der Erlös um 2,5 Prozent zurück. Mit den Zukäufen will sich Merck auf die Elektronikindustrie ausrichten, wo Oschmann im Trend zu vernetzten Industrie und immer leistungsfähigeren Prozessoren Chancen sieht. Der um Sondereffekte bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) sank um 5,7 Prozent auf gut eine Milliarde Euro.

Die Corona-Krise bekam Merck vor allem bei Arzneien mit einem Umsatzrückgang von fast elf Prozent zu spüren. Einen deutlichen Knick gab es bei Fruchtbarkeitstherapien, da viele Kliniken geschlossen blieben. Neue Mittel gegen Multiple Sklerose und Krebs konnten dagegen zulegen. Auch Arzneien etwa gegen Diabetes blieben in der Pandemie gefragt.

Die Laborsparte konnte abermals zulegen, etwa im Geschäft rund um Produkte und Dienstleistungen für die Arzneiherstellung. Im Geschäft mit akademischen Kunden musste Merck jedoch abermals einen Rückgang verkraften, weil viele Forschungseinrichtungen geschlossen blieben. Die Spezialmaterialien konnten ihre Erlöse dank der Zukäufe in den USA um fast 40 Prozent steigern, ohne den Effekt der Übernahmen sank der Umsatz kräftig. Hier belastete vor allem die schwache Nachfrage aus der Auto- und Kosmetikindustrie. Merck stellt Pigmente etwa für Auto- und Nagellacke her und leidet unter den mauen Geschäften seiner Kunden. Zudem schwächelt seit geraumer Zeit das Geschäft mit Flüssigkristallen etwa für Smartphone-Displays, in dem Merck mit zunehmender Konkurrenz aus Asien zu kämpfen hat.

Der Konzern hatte wegen der Pandemie bereits vor erheblichen Belastungen gewarnt und seine Prognosen gekürzt. Nur rechnet das Management mit einem Betriebsgewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sondereffekten (bereinigtes Ebidta) von 4,45 bis 4,85 Milliarden Euro, nach rund 4,4 Milliarden Euro im Vorjahr - Rückgänge werden also nicht mehr erwartet. Den Umsatz sieht Merck im laufenden Jahr nun bei bis zu 17,7 Milliarden Euro, 2019 waren es 16,2 Milliarden./tav/als/jha/