DARMSTADT (awp international) - Der Pharma- und Chemiekonzern Merck KGAA braucht bis zur erhofften Trendwende im kommenden Jahr noch einen langen Atem. Zwar zog im dritten Quartal das kriselnde Geschäft mit Flüssigkristallen an, doch trafen den Konzern die Währungskrisen in Argentinien und Brasilien hart. Merck stellt sich deshalb im Gesamtjahr auf einen noch stärkeren Ergebnisrückgang ein als bisher, traut sich aber nach starken Geschäften mit Arzneien und Laborbedarf mehr Umsatz zu, wie das Unternehmen am Mittwoch in Darmstadt mitteilte.

An der Börse ging es am Mittwoch zunächst für die Aktie abwärts, zuletzt stand das Papier aber mit knapp 1,7 Prozent im Plus. Analysten sprachen von starken Resultaten.

Angesichts von Wirtschaftskrisen haben der argentinische Peso und der brasilianische Real stark an Wert verloren. Argentinien etwa steckt in einer Zahlungskrise und leidet unter Hyperinflation. Merck verkauft unter anderem Arzneien in beiden Ländern und hat sich gegen Währungsverluste, die bei der Umrechnung in Euro entstehen, nicht durch spezielle Geschäfte an den Finanzmärkten abgesichert. Negativ auf das Konzernergebnis schlagen zudem Verbindlichkeiten in Euro einiger Tochtergesellschaften in diesen Ländern durch.

Schon im ersten Halbjahr hatten dem Konzern Währungseffekte zu schaffen gemacht. Von Juli bis September rutschte der bereinigte Betriebsgewinn wegen dieser Belastungen um knapp 6 Prozent auf 963 Millionen Euro ab. Unter dem Strich halbierte sich der Gewinn nahezu auf 340 Millionen Euro - allerdings hatte Merck im Vorjahr noch von erheblichen Sondereffekten durch eine Meilensteinzahlung und den Verkauf des Geschäfts mit biopharmazeutisch hergestellten Arzneien profitiert.

Aus eigener Kraft lief es für Merck im dritten Quartal hingegen besser als erwartet: "Im dritten Quartal haben wir über alle drei Unternehmensbereiche hinweg ein kräftiges organisches Umsatzwachstum erzielt", erklärte Chef Stefan Oschmann. Die Erlöse stiegen um 6,6 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro. Vor allem das boomende Geschäft mit Laborausstattung, aber auch das Pharmageschäft stützten. Der Konzern verzeichnete prozentual zweistellige Wachstumsraten im Geschäft mit Fertilitätsprodukten und dem Diabetes-Medikament Glucophage. Die Erlöse mit den neuen Hoffnungsträgern Bavencio (Krebs) und Mavenclad stiegen deutlich.

Lichtblicke gab es auch in der Sparte für Spezialmaterialien, in der Merck bei Flüssigkristallen für Smartphone- und TV-Displays unter dem Preisdruck asiatischer Konkurrenz leidet. Im Berichtszeitraum konnten die Flüssigkristalle zulegen. Sie profitieren aktuell von der Nachfrage von Panel-Herstellern in China, die Produktionskapazitäten aufbauten. Allerdings lasse sich nur schwer vorhersagen, wie lange diese Entwicklung anhalte, so Finanzchef Marcus Kuhnert.

Das lange Zeit unangefochtene Geschäft mit Flüssigkristallen gilt als grösste Baustelle bei Merck und war Anstoss für einen tiefgreifenden Umbau der Sparte. Merck rechnet dort unverändert erst mit einer Trendwende ab 2020. Der Gesamtkonzern will 2019 wieder zu profitablem Wachstum zurückkehren.

Für 2018, das als Übergangsjahr gilt, stellt Konzernchef Oschmann mehr Umsatz in Aussicht. Die Erlöse sollen bei 14,4 bis 14,8 Milliarden Euro liegen, nach 14,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Das um Sonderposten bereinigte Betriebsergebnis dürfte hingegen auf 3,7 bis 3,9 Milliarden Euro zurückgehen. Im Vorjahr hatte Merck 4,25 Milliarden Euro erzielt.

Für den im kommenden Jahr voraussichtlich anstehenden Austritt der Briten aus der EU laufen bei den Darmstädtern derweil die Vorbereitungen. "Wir müssen uns in gewissem Rahmen darauf einstellen, dass es erst einmal Lieferschwierigkeiten geben wird," sagte Oschmann. Die Unternehmen reagierten deshalb mit einem Aufbau der Arznei-Vorräte./tav/als/mne/fba