MÜNCHEN (dpa-AFX) - Zwischen Sturmschäden und Dauer-Zinstief hält sich der weltgrößte Rückversicherer Munich Re wacker. Auch als Hurrikan "Dorian" noch weitaus größere Zerstörungen befürchten ließ, als er sie letztlich brachte, geriet die Aktie des Dax-Konzerns kaum ins Wanken. Doch der Rückversicherer muss noch an anderen Stellen schrauben, um sein Geschäft für die Zukunft wasserfest zu machen. Was los ist beim Unternehmen, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEIM UNTERNEHMEN:

Die Bedingungen für Rückversicherer sind seit Jahren nicht rosig - auch wenn die Unternehmen auf fetten Kapitalpolstern sitzen. Die Niedrigzinsen, ein Preiskampf im Kerngeschäft und die Digitalisierung machen den Unternehmen zu schaffen. Doch zumindest beim Prämienniveau zeichnet sich eine weitere Erholung ab.

Das liegt aber weniger an "Dorian". Denn der Wirbelsturm hat in den vergangenen Tagen vor allem auf den Bahamas getobt. Die Ostküste der USA mit weitaus höheren versicherten Werten streifte er nur. Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek rechnet damit, dass die Schäden die Versicherungsbranche grob geschätzt rund fünf Milliarden Dollar kosten. Hurrikan "Irma" im Jahr 2017 hatte bei Erst- und Rückversicherern mit 33 Milliarden Dollar zu Buche geschlagen.

Seit Samstag sprechen Rückversicherer wie Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück in Monte Carlo wie jedes Jahr mit ihren Kunden - Erstversicherern wie Allianz und Axa über die Preise und Bedingungen für die Vertragserneuerung zum bevorstehenden Jahreswechsel.

Vor zwei Jahren schauten die Vertragspartner von der Côte d'Azur gebannt in Richtung Florida, wo "Irma" Millionen Menschen in die Flucht trieb. Am Ende wurde 2017 mit drei schweren Hurrikanen zum schwersten Naturkatastrophenjahr in der Geschichte der Versicherungsbranche, der Gewinn der Munich Re sackte um rund 85 Prozent in den Keller.

Allerdings stoppten die Schäden auch den jahrelangen Preisverfall in der Rückversicherung. Im laufenden Jahr zog das Prämienniveau sogar etwas an. Bereits 2018 erzielte die Munich Re wieder einen Milliardengewinn. Ein Überschuss von 3,3 Milliarden Euro wie im Jahr 2013 ist vorerst aber nicht in Sicht.

Das liegt auch daran, dass die Munich Re bei ihren Kunden im Kerngeschäft schon lange nicht mehr generell an der Preisschraube drehen kann. Zu hart ist der Wettbewerb in der Branche, die auf extrem komfortablen Kapitalpolstern sitzt. Das Angebot an Rückversicherungsschutz ist dadurch immens, die Nachfrage hält nicht mit. Hinzu kommt branchenfremde Konkurrenz durch Hedge- und Pensionsfonds, die Milliardensummen in Katastrophenanleihen und anderen Finanzkonstrukten angelegt haben. Und mit Finanzanlagen erzielte die Munich Re aufgrund der Niedrigzinsen im vergangenen Jahr gerade noch eine Rendite von 2,8 Prozent.

Die Aktionäre bekamen von der Misere wenig zu spüren. Denn der Rückversicherer beglückt sie üppig mit Milliardensummen. Für 2018 sattelte der Konzern bei der Dividende weiter drauf, außerdem kauft er weiterhin eigene Aktien vom Markt zurück.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Eigentlich scheinen Analysten die Munich-Re-Aktie richtig gut zu finden. Doch nach dem Kursanstieg der vergangenen Jahre ist es den meisten genug. Von den 19 im dpa-AFX Analyser erfassten Branchenexperten raten nur noch vier zum Kauf der Papiere, die Mehrheit von 13 rät zum Halten. UBS und Jefferies plädieren sogar für den Verkauf. Die Kursziele der beiden hat die Aktie schon seit längerer Zeit überschritten, auch im Schnitt liegen Experten mit ihren Kurszielen mit rund 216 Euro etwas unter dem derzeitigen Kursniveau.

Mit den schon Zerstörungen durch Wirbelsturm "Dorian" hat ihre Haltung wenig zu tun. So warnte Jefferies-Analyst Philip Kett vor den Folgen des beschleunigten Rückgangs der Anleiherenditen seit Jahresbeginn. Dadurch könnte die aktuell noch komfortable Solvenzquote des Rückversicherers sinken, schrieb der Experte, als er Mitte August sein Kursziel für die Aktie auf 182 Euro senkte.

Analystin Claudia Gaspari von der Investmentbank Barclays ließ sich vergangene Woche nicht einmal von den zu dieser Zeit noch drohenden hohen Sturmschäden beeindrucken. Sie hob ihr Kursziel für die Munich-Re-Aktie sogar auf 245 Euro an - und liegt damit über den Erwartungen aller anderen erfassten Experten.

Ratingagenturen gehen davon aus, dass Rückversicherer 2020 bei ihren Kunden an der Preisschraube drehen können. Die Agentur Fitch erwartet im Schnitt einen Anstieg im unteren einstelligen Prozentbereich. Standard & Poor's (S&P) geht sogar von einem Anstieg von etwa fünf Prozent aus. Allerdings dürften sich die Preiserhöhungen auf die Regionen und Segmente beschränken, die von hohen Schäden betroffen waren, schätzt S&P-Analyst Johannes Bender. Von einem übergreifenden Preistrend könne keine Rede mehr sein.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nach der Jahrtausendwende hatte die Munich-Re-Aktie zunächst eine Achterbahnfahrt hingelegt. Von fast 400 Euro im Jahr 2000 fiel der Aktienkurs nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und immensen Verlusten der Munich Re im Jahr 2003 auf rund 50 Euro. Nach einer milliardenschweren Kapitalerhöhung ging es - unterbrochen von der Weltfinanzkrise 2008 und der Tsunami- und Atom-Katastrophe in Japan 2011 - mit der Zeit deutlich aufwärts. Selbst die Hurrikan-Serie von 2017 hinterließ nur leichte Spuren.

Seither legten die Papiere umso deutlicher zu - und auch 2019 lief es bisher rund. Seit dem Jahreswechsel hat die Munich-Re-Aktie rund 17 Prozent an Wert gewonnen und ging vor dem Wochenende mit 223,20 Euro aus dem Handel. Im Juli hatte sie mit 228,90 Euro sogar ihren höchsten Stand seit 2002 erreicht. Von seinem Rekordhoch von knapp 400 Euro aus dem Jahr 2000 ist das Papier dabei immer noch weit entfernt.

Wer die Aktie seit damals im Depot hat, konnte seit der Jahrtausendwende zwar auch rund 100 Euro an Dividenden je Papier einstreichen. Doch selbst die Ausschüttungen können die Differenz zum einstigen Rekordhoch nicht wettmachen./stw/men/zb