So soll die Lkw-Tochter Traton nun doch noch vor der Sommerpause an die Börse gebracht werden. "Wir überprüfen, ob wir noch der beste Eigentümer für die unterschiedlichen Geschäfte sind", sagte Diess vor rund tausend anwesenden Aktionären. Der Fokus werde in Zukunft stärker auf dem automobilen Kerngeschäft liegen. Große Investoren sehnen das schon länger herbei. Nun komme es darauf an, dass Volkswagen die am Kapitalmarkt geschürten Erwartungen auch erfülle, sagte Hendrik Schmidt, Analyst bei der Fondsgesellschaft DWS. Ansonsten drohe ein erneuter Vertrauensverlust.

Erst im März hatte der Vorstand einen Teilbörsengang von Traton abgesagt und dies mit dem schlechten Marktumfeld begründet. Die Schwankungen an den Börsen sind noch immer groß, nicht zuletzt wegen des weiter schwelenden Handelsstreits zwischen den USA und China. Trotzdem machte der VW-Aufsichtsrat am Montagabend eine Rolle rückwärts und beschloss, die Lkw-Sparte mit den beiden Herstellern MAN und Scania nun doch auf das Parkett zu schicken. Was hinter der Kehrtwende steht, ließ der Konzern offen.

"EINE UNENDLICHE GESCHICHTE"

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance beim Sparkassen-Fondshaus Deka Investment, sagte, der Börsengang sei im Grundsatz richtig, da die Komplexität des Konzerns reduziert werde. VW habe jedoch wertvolle Zeit verloren. "Der Börsengang von Traton ist jetzt schon eine unendliche Geschichte." Lkw-Boss Andreas Renschler hielt dagegen, es sei nicht ungewöhnlich, dass ein solcher Prozess gestoppt und bei veränderten Bedingungen neu gestartet werde. Entscheidungen über die Einzelheiten des Listings sollten "in naher Zukunft" getroffen werden, antwortete er auf Aktionärsfragen.

Mit Abspaltungen wie Traton will Volkswagen auch seinem Aktienkurs auf die Sprünge helfen, der durch die Dieselkrise gelitten hat. Bei einem Niveau von zuletzt 150,30 Euro je Stamm- und 148,60 Euro je Vorzugsaktie sei der Dax-Konzern weiterhin unterbewertet, sagte Diess. "Wir sehen viel Potenzial für einen höheren Unternehmenswert, das wir Schritt für Schritt heben werden."

Als weitere Maßnahme kündigte Volkswagen an, Lösungen für Randbereiche wie die Großmotorentochter MAN Energy Solutions und den Getriebehersteller Renk zu suchen. Die Möglichkeiten reichen von Gemeinschaftsunternehmen über Partnerschaften bis hin zu einem Verkauf. Reuters hatte kürzlich unter Berufung auf mehrere Insider berichtet, der Konzern habe bereits begonnen, mögliche Interessenten für den Hersteller von großen Schiffsmotoren und Stromgeneratoren anzusprechen.

VIEL BALLAST

Diess kritisierte, der Konzern kämpfe an einigen Stellen noch mit schwerfälligen Strukturen, komplexen Prozessen und hohen Kosten. "Hier gibt es viel zu tun. Großen Ballast können wir uns auf Dauer nicht leisten." Deshalb mache er persönlich Tempo bei der Transformationen des Unternehmens. Vielerorts laufen bereits Sparprogramme. "Der Volkswagen Konzern wird transparenter und beweglicher, effizienter, innovativer und profitabler – darum geht es auf unserem Weg." 2019 werde dafür ein entscheidendes Jahr. Volkswagen will die Kosten bis 2023 um weitere knapp sechs Milliarden Euro drücken, um die Rendite zu steigern und die nötigen Investitionen zu stemmen. In der Verwaltung sollen bis zu 7000 Stellen durch Altersteilzeit wegfallen. Gleichzeitig soll die Produktivität der Werke weiter gesteigert werden.

Der Aufsichtsrat beschloss zudem ein weiteres Großprojekt: Den Einstieg in eine eigene Batteriezellfertigung in Salzgitter. Dort verfügt VW bereits über eine Pilotanlage für eine Akkufertigung. Für knapp eine Milliarde Euro soll nun eine Fabrik entstehen, die anfangs rund 700 Mitarbeiter beschäftigt. Beschaffungsvorstand Stefan Sommer denkt bereits weiter: "Wir schauen uns auch weitere Standorte in Europa an", sagte er am Rande der Hauptversammlung. Auch Emden komme für eine Batteriezellenfertigung in Frage. Volkswagen benötige für seine Pläne zum Ausbau der Elektromobilität allein in Europa eine Gesamtkapazität für Batteriezellen von 150 Gigawatt-Stunden. Davon sei die in Salzgitter anfangs geplante Kapazität von mehr als zehn Gigawatt-Stunden nur ein Bruchteil.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der als einer von zwei Vertretern des Landes im VW-Aufsichtsrat sitzt, wertete die Entscheidung als Durchbruch. Die Elektromobilität stehe erst am Anfang. Wenn die Verkaufszahlen so stiegen wie geplant - und es für das Erreichen der Klimaziele auch nötig sei - werde der Bedarf nach Batterien wesentlich größer werden. Das Land ist zweitgrößter VW-Aktionär nach der Familienholding Porsche SE.