FRANKFURT (dpa-AFX) - Ein Stühlerücken im Management nebst neuer Strategie hat am Freitag viel Fantasie in die Aktien von ProSiebenSat.1 gebracht. In Zeiten der Corona-Krise - mit einer zeitweisen Halbierung der Papiere - machte der beschlossene Austausch des Konzernchefs den Anlegern des Medienkonzerns wieder Hoffnung auf bessere Zeiten.

Die Aktien bauten ihre Gewinne in der Spitze auf fast 11 Prozent aus, der Sprung über die 7,50 Euro blieb ihnen dabei aber zunächst verwehrt. Knapp über dieser Marke hatten sie am Mittwoch ein Zwischenhoch markiert, das sie nun aber nicht übertreffen konnten. Zuletzt betrug das Plus dann aber immerhin noch knapp 8 Prozent auf 7,30 Euro. Der MDax lag zeitgleich mit fast 3 Prozent im Minus. Am Gesamtmarkt waren nach zuletzt deutlicher Erholung vom Coronavirus-Crash Gewinnmitnahmen angesagt.

Am meisten Beachtung fand die Nachricht, dass der bisherige Vorstandsvorsitzende Max Conze mit sofortiger Wirkung aus dem Medienkonzern ausscheidet. Finanzvorstand Rainer Beaujean übernimmt das Amt des Vorstandssprechers, während mit Christine Scheffler und Wolfgang Link zwei Manager aus eigenen Reihen den Vorstand komplettieren. Ein Händler wertete dies positiv angesichts fehlender Erfolge von Conze in einem zugegeben schwierigen Marktumfeld.

"Conze konnte die Konzernstrukturen nicht weiter schärfen, um den Herausforderungen zu begegnen", so der Börsianer. Er verwies darauf, dass die Aktien in der Amtszeit des bisherigen Konzernchefs um etwa drei Viertel gefallen sind. Conze trat die Nachfolge des langjährigen Chefs Thomas Ebeling am 1. Juni 2018 an, damals wurden die Papiere noch über 25 Euro gehandelt. Im Tief kosteten sie zuletzt im Zuge der Viruskrise nur noch 5,72 Euro.

Der Börsianer sieht nun das Potenzial für einen stärkeren Einfluss von Großaktionären wie zum Beispiel der italienische Wettbewerber Mediaset, der seinen Anteil erst kürzlich auf gut 20 Prozent ausgebaut hat. Am Markt sei bereits vermutet worden, dass die Italiener auf einen Wechsel an der Führungsspitze drängen. Einfluss ausüben könnte außerdem der tschechische Investor Daniel Kretinsky, der seit Oktober an dem Medienkonzern beteiligt ist.

Strategisch teilte der Konzern außerdem mit, dass das operative Geschäft wieder stärker auf den Unterhaltungssektor im deutschsprachigen Raum ausgerichtet werde. Der Schwerpunkt liege hier auf Live- und lokalen Formaten. Unter anderem über die Streaming-Plattform Joyn solle die digitale Reichweite weiter ausgebaut werden. Teile des unter NuCom firmierenden E-Commerce-Geschäfts sollen derweil zu gegebener Zeit veräußert werden.

UBS-Analyst Richard Eary kommt diese Entscheidung in der gegenwärtigen Marktsituation unzeitgemäß vor. Entscheidend werde nun sein, ob das neue Management durch Veräußerungen Werte freisetzen und sein Unterhaltungssegment im Laufe der Zeit wie geplant stärken kann./tih/kro/stk