BERLIN (dpa-AFX) - Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat neue Zweifel von Nato-Verbündeten an der Bereitschaft Deutschlands zu deutlich höheren Verteidigungsausgaben zurückgewiesen. In einer Bundestagsdebatte zum 70-jährigen Bestehen des Bündnisses bekräftigte die CDU-Politikerin am Donnerstag die Zusage, die Ausgaben bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen und danach das Ziel von 2 Prozent zu verfolgen. Es schmerze, dass Verbündete Zweifel am Beistandsversprechen Deutschlands äußerten. Außenminister Heiko Maas versicherte zuvor in Washington: "Wir haben uns klar dazu bekannt, mehr Geld in Verteidigung zu investieren, und wir halten Wort."

US-Vizepräsident Mike Pence hatte am Mittwochabend (Ortszeit) bei einer Rede vor Beginn der Feierlichkeiten in Washington Deutschland unter anderem wegen der seiner Meinung nach zu geringen Verteidigungsausgaben kritisiert. Deutschland habe die stärkste Wirtschaft in Europa, weigere sich aber, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren. "Deutschland muss mehr tun", mahnte Pence.

Die Staats- und Regierungschefs der Nato hatten 2014 vereinbart, dass sich alle Mitgliedstaaten bei ihren Verteidigungsausgaben bis 2024 einem Wert von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts annähern sollen. Deutschland hat 1,5 Prozent bis 2024 fest zugesagt.

Wie die Bundesregierung diese Zusage einhalten will, ist bislang aber vollkommen unklar. Nach dem jüngsten Nato-Jahresbericht lagen die deutschen Ausgaben im vergangenen Jahr bei 1,23 Prozent. Die mittelfristige Planung sieht nach Angaben aus dem Verteidigungsministerium 1,26 Prozent für das Jahr 2023 vor. Demnach müssten die Verteidigungsausgaben von 2023 auf 2024 um einen zweistelligen Milliardenbetrag erhöht werden, wenn das Ziel erreicht werden soll.

"Gut ist, dass für 2020 das Budget erneut steigen wird, auf circa 45 Milliarden Euro, über 1,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes", schrieb von der Leyen in einem Gastbeitrag für die "Passauer Neue Presse". Der geplante Anstieg für die Folgejahre reiche jedoch noch nicht. "Das muss sich noch ändern, tut es üblicherweise auch", erklärte die CDU-Politikerin.

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sieht im Streit um die Verteidigungsausgaben die deutsche Verhandlungsposition gegenüber den USA geschwächt. "Eine der größten offenen politischen Flanken, die wir im Moment in den Debatten mit den Vereinigten Staaten haben, um zum Beispiel Strafzölle auf deutsche Autos abzuwenden, ist der Vorwurf, dass wir eine Vereinbarung, zu der wir uns verpflichtet haben, nämlich in der Nato unsere Ausgaben auf 2 Prozent zu steigern, seit Jahren nicht einhalten", sagte sie der "Heilbronner Stimme".

Auch die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer und im "Handelsblatt" der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Alexander Graf Lambsdorff schlossen sich der Kritik an.

US-Präsident Donald Trump hatte in der Vergangenheit mehrfach seine Verärgerung über die seiner Meinung nach zu geringen Verteidigungsausgaben von Ländern wie Deutschland geäußert. Er drohte sogar mit einem Rückzug der USA aus dem Bündnis. Nach Einschätzung von Kritikern erschüttert Trump mit solchen Äußerungen die Grundfesten der Nato.

Der Politikwissenschaftler Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das Bündnis zu seinem 70-jährigen Bestehen in der Krise. "Es sind doch erhebliche Zweifel gekommen, ob die USA zu ihrer Bündnisverpflichtung stehen würden. Und selbst wenn sie es tun, die Zweifel, die aufgekommen sind, haben wie Säure gewirkt", sagte der Nato-Experte im SWR. Deshalb müssten die Außenminister bei ihrem Treffen in Washington nun die Bündnispflicht betonen, "dass die Nato einen Angriff auf ein Mitglied als einen Angriff auf alle betrachten würde".

Der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat schloss sich der Kritik der USA an. Deutschland habe es in den vergangenen Jahren versäumt, 0,1 Prozent des Bruttosozialproduktes jährlich zur Steigerung des Verteidigungsetats zu verwenden. Die Nato-Partner zweifelten daher zurecht an der Bereitschaft Berlins, einen angemessenen Beitrag zur Verteidigungsgemeinschaft zu leisten, sagte Kujat im ARD-"Morgenmagazin".

Bei einem Außenministertreffen in Washington sollte am Donnerstagnachmittag an den 4. April 1949 erinnert werden. Damals schlossen zwölf Staaten Europas und Nordamerikas in der US-Hauptstadt den Nordatlantikvertrag./kat/DP/zb