BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung wird später als geplant neue Rüstungsexportrichtlinien vorlegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Mittwoch bei einer Regierungsbefragung im Bundestag, die große Koalition wolle damit spätestens im ersten Halbjahr 2019 fertig sein. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag eigentlich vereinbart, noch im Jahr 2018 die Rüstungsexportrichtlinien aus dem Jahr 2000 zu "schärfen".

Merkel verwies auf den vollständigen Rüstungsexportstopp nach Saudi-Arabien. Die Bundesregierung hatte als Konsequenz aus der Tötung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi die Lieferungen an Saudi-Arabien komplett gestoppt. Für Wirbel hatte gesorgt, dass der Rüstungskonzern Rheinmetall Saudi-Arabien jüngsten Medienberichten zufolge aber offensichtlich weiter mit Munition beliefert - und zwar über Tochterfirmen in Italien und Südafrika.

Merkel stand am Mittwoch zum zweiten Mal als Regierungschefin in einem besonderen Format den Abgeordneten Rede und Antwort. Es ist der erste Auftritt im Bundestag als Kanzlerin ohne Parteivorsitz, eine Konstellation, die sie eigentlich immer vermeiden wollte. Wie beim ersten Mal beantwortete sie die Fragen sehr konzentriert. Zum Teil rief sie bei den Abgeordneten mit ihren Antworten Gelächter hervor.

Einen kleinen Schlagabtausch lieferte sich die Kanzlerin mit dem AfD-Abgeordneten Martin Hebner, der ihr vorwarf, durch die Zustimmung zum UN-Migrationspakt Europa tief gespalten und Deutschland isoliert zu haben. Merkel hielt dem entgegen, der Antrag habe sich mit vielen Falschinformationen, die auch aus den Reihen der AfD gekommen seien, auseinandergesetzt. Im übrigen sei die Zahl derer, die ihn angenommen haben, größer, als die Zahl derer, die ihn nicht angenommen hätten.

Als Hebner eine Nachfrage stellte, unterbrach ihn die Kanzlerin mit den Worten "Wollen wir durchzählen? Wollen wir durchzählen?". Dies wertete Hebner als Zeichen, dass Merkel nervös geworden sei. Merkel lächelte und entschuldigte sich, dass sie ihm ins Wort gefallen sei. "Ich entschuldige mich natürlich für die Unterbrechung." Als Physikerin "geht es mir bei den Zahlen wirklich um die Wahrheit".

Die Kanzlerin machte deutlich, dass beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag keine Änderungen mehr am Brexit-Abkommen zu erwarten sind - trotz der jüngsten Werbetour der britischen Regierungschefin Theresa May in mehreren Mitgliedsländern. "Wir haben nicht die Absicht, das Austrittsabkommen wieder zu verändern. Das ist die allgemeine Position der 27 Mitgliedsstaaten", sagte Merkel.

Den Einwand des AfD Abgeordneten Markus Frohnmaier, die Kanzlerin gefährde mit ihrer Politik unter anderem den Frieden in Großbritannien, ließ diese mit den Worten abblitzen: "Ihre Mischung von Fakten und Wertungen teile ich nicht. Ich versuche, mich mal mit den Sachverhalten auseinanderzusetzen."

Auf dem EU-Gipfel will sich Merkel - angesichts des ungelösten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine im Asowschen Meer und der Meerenge von Kertsch - auch für eine Verlängerung der Sanktionen gegen Moskau einsetzen. "Natürlich werden wir die Dinge beim Namen nennen. Wir werden uns auch für die Verlängerung der Sanktionen einsetzen", sagte sie auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Manuel Sarrazin. Vor gut zwei Wochen war der Konflikt vor der Küste der Halbinsel Krim eskaliert. Die russische Küstenwache hatte drei ukrainischen Schiffen die Passage durch die Straße von Kertsch ins Asowsche Meer verweigert.

Die Kanzlerin räumte dem AfD-Abgeordneten Martin Hess ein, dass es beim türkisch-islamischen Moscheeverband Ditib immer wieder besorgniserregende Entwicklungen gegeben habe. Ob allerdings ein solcher Verband vom Verfassungsschutz überwacht werde, sei eine Entscheidung der Sicherheitsbehörden und keine politische. Sie vertraue dem Bundesamt für Verfassungsschutz. Man müsse im Fall des Verbandes Ditib mit der Türkei immer wieder reden. Deutschland müsse auch selbst mehr islamische Prediger (Imame) ausbilden.

Im Handelsstreit zwischen der EU und den USA setzt Merkel auf eine Lösung am Verhandlungstisch. Die Regierung hoffe, dass es keine weitere Eskalation gebe, sagte die CDU-Politikerin mit Blick auf mögliche höhere Importzölle der USA für Pkw aus der EU. Die Bundesregierung habe vorab von einem Treffen deutscher Auto-Manager vor einer Woche mit US-Präsident Donald Trump gewusst. Sie habe die Hersteller darauf hingewiesen, dass es bei den bilateralen Gesprächen nur um Investitionen in Nordamerika gehen könne. Handelsfragen würden von der EU-Kommission geregelt. Die deutschen Hersteller Volkswagen, Daimler und BMW wollen mit großen Investitionen in den USA höhere Autozölle für US-Importe aus Europa verhindern.

Merkel rief die Linkspartei auf, sich von den Ausschreitungen bei den "Gelbwesten"-Protesten in Frankreich zu distanzieren. Deren uneingeschränkte Unterstützung sei "skandalös", weil die Linken "kein Wort zu der Gewalt sagen, die dort auf den Straßen angewandt wird"./rm/DP/fba