LONDON (dpa-AFX) - Das klassische Fernsehgeschäft von Medienkonzernen wie ProSiebenSat.1 und RTL dürfte laut der Investmentbank Morgen Stanley immer stärker in Bedrängnis geraten. Wie in den USA bereits geschehen, nähmen auch in Europa die Abonnements für Video-On-Demand (Video auf Nachfrage) und die Verkäufe von Videoinhalten über das Internet (OTT) zu, schrieb Analyst Omar Sheikh in einer am Freitag vorliegenden Branchenstudie. Das gehe zu Lasten des herkömmlichen Fernsehens. Er senkte daher den Daumen für die Aktien aller europäischen Fernsehkonzerne - abgesehen von der britischen ITV und schwedischen Modern Times Group.

Für die Aktien von RTL bedeutete das eine Abstufung von "Equal-weight" auf "Underweight" und eine Kurszielsenkung von 75,60 auf 56,00 Euro. Die Anteilsscheine von ProSiebenSat.1 stufte der Analyst um gleich zwei Stufen von "Overweight" auf "Underweight" ab. Das neue Kursziel lautet 21 Euro nach bisher 35 Euro.

Beide Papiere gaben am Freitag deutlich nach: RTL kosteten so wenig wie zuletzt im August vergangenen Jahres. ProSiebenSat.1 sogar so wenig wie Anfang 2013. Seit ihrem Rekordhoch Ende 2015 haben die ProSieben-Papiere mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren. In der Folge stiegen sie zuletzt sogar aus der ersten Börsenliga Dax ab.

Die zunehmende Beliebtheit von Video-on-Demand in OTT verdränge teils das herkömmliche TV-Angebot zu festen Zeiten (lineares Fernsehen), erklärte Analyst Sheikh. So schauten immer mehr Menschen etwa Netflix oder Inhalte auf Amazon. Beide zusammen hätten Branchendaten zufolge die Märkte in Großbritannien, Deutschland und Schweden bereits zu rund einem Viertel durchdrungen. In Frankreich, Italien und Spanien seien es 6 bis 9 Prozent.

In den USA habe eine Marktdurchdringung von Netflix von 20 Prozent den negativen Wendepunkt für das klassische Fernsehen bedeutet und sei mit einem langsameren Wachstum der Werbeeinnahmen in diesem Bereich einhergegangen. Diese Schwelle dürfte in fünf Jahren in jedem europäischen Land überschritten sein. In Deutschland dürften es dann 32 Prozent sein.

Vor diesem Hintergrund dürfte ein Nullwachstum bei den Werbeeinnahmen das "neue Normal" werden. TV-Werbung, die rund 50 bis 90 Prozent der TV-Netzwerkumsätze in Europa ausmache, dürfte ihren Höhepunkt erreicht haben. Darunter werde auch das Gewinnwachstum der Unternehmen leiden.

Gemäß der Einstufung "Underweight" erwartet Morgan Stanley eine unterdurchschnittliche Gesamtrendite der Aktie im Vergleich zu den anderen von der Bank beobachteten Werten derselben Branche. Zugrunde gelegt wird ein Zeitraum zwischen zwölf und 18 Monaten./mis/ag/jha/

Analysierendes Institut Morgan Stanley.