(neu: Details zur Gerichtsentscheidung)

BERGHEIM (dpa-AFX) - Einen Tag vor dem Treffen der Kohlekommission im Rheinischen Revier haben sich Befürworter und Gegner eines schnellen Kohleausstiegs positioniert. Die Gewerkschaft IG BCE und der Braunkohleverband Debriv warnten im Fall eines vorzeitigen Ausstiegs vor dem Wegfall von Arbeitsplätzen. Das Aktionsbündnis Ende Gelände begann am Dienstag mit dem Bau seines Protestcamps für einen sofortigen Kohleausstieg und gegen Rodungen im Hambacher Forst. Auch der Umweltverband BUND sieht keinen zwingenden Grund, den Wald zu roden.

Ein vorzeitiger Ausstieg aus der Braunkohleverstromung aus Klimaschutzgründen würde nach Auffassung von Debriv fast 100 Milliarden Euro kosten und Zehntausende Jobs vernichten. Schon jetzt seien die Klimaschutzvorgaben extrem fordernd.

Mehr als 10 000 Beschäftigte aus Energiewirtschaft und Industrie werden am Mittwoch (10.00) am Rande der Kommissionssitzung zu einer Demonstration von IG BCE und Verdi in Bergheim erwartet. Sie wollen für die Zukunft ihrer Arbeitsplätze und eine "Energiewende mit Vernunft" auf die Straße gehen. Bei der Kundgebung werden unter anderem NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und der Kommissionsvorsitzende Matthias Platzeck (SPD) sprechen.

Die Kohlekommission soll Vorschläge für den Strukturwandel in den Kohlerevieren und ein Ausstiegsdatum erarbeiten. Nach einem Treffen in der Lausitz tagt er zeitgleich zu den Protesten am Mittwoch im rheinischen Bergheim.

Betriebsbedingte Kündigungen werde die Gewerkschaft IG BCE nicht akzeptieren, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Michael Vassiliadis der "Rheinischen Post" (Dienstag). Einen möglichen Personalabbau "wollen wir über bekannte Instrumente wie Frühverrentung und natürliche Fluktuation hinbekommen", sagte Vassiliadis. Allein am Braunkohle-Tagebau Hambach hängen nach Angaben des Energiekonzerns RWE rund 4600 Arbeitsplätze.

Im Rheinischen Revier gibt es bisher Abbaugenehmigungen bis 2045. Umweltschützer fordern einen wesentlich schnelleren Ausstieg aus der klimaschädlichen Technik und den Erhalt des Hambacher Forstes. Dort gilt nach einer Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) bis zu einem endgültigen Urteil ein vorläufiger Rodungsstopp.

Nach Einschätzung des BUND muss der Hambacher Forst im Zuge des Braunkohleabbaus nicht unweigerlich gerodet werden. "Es gibt im Grunde genommen kein Klimaschutz-Szenario, in dem der Wald fallen muss", sagte NRW-Landesvorstand Thomas Krämerkämper entgegen Aussagen von RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Den BUND-Analysen zufolge ließen sich noch mehr als 490 Millionen Tonnen Braunkohle abbauen, wenn die Böschungen steiler ansetzten.

Das sieht Schmitz anders: Er hatte erklärt, der Hambacher Forst sei selbst bei einem Stopp der Bagger nicht mehr zu retten. Die Erdmassen unter dem Wald würden benötigt, um die steile Abbruchkante am Tagebau aufzufüllen und die Rekultivierung zu betreiben. Die Böschungen seien so steil, dass sie abgeflacht werden müssten.

Unterdessen begann das Aktionsbündnis Ende Gelände am Dienstag mit dem Aufbau eines Protestcamps gegen Rodungen im Hambacher Forst und für einen sofortigen Kohleausstieg - ohne allerdings eine Gerichtsentscheidung zum Standort abzuwarten. Die Polizei hatte aus Umweltschutz-Gründen einen etwas entfernteren Ersatz-Standort verfügt. Das Verwaltungsgericht Aachen entschied, das sei nicht zu beanstanden. Das zugewiesene Areal im Westen des Tagebaus Hambach sei zumutbar, stellten die Richter fest.

Die Polizei hatte das von den Aktivisten vorgeschlagene Landschaftsschutzgebiet aus Naturschutzgründen abgelehnt. Das Bündnis kündigte Beschwerde am Oberverwaltungsgericht in Münster an. Zum Zeitpunkt der Entscheidung hatte Ende Gelände bereits mit dem Bau seines Camps für 3000 erwartete Teilnehmer begonnen, machte aber keine Angaben zum konkreten Standort. Die Polizei unternahm nach eigenen Angaben zunächst nichts dagegen und beobachtete die Situation./beg/shy/rs/idt/DP/he