(neu: Kohlebahn wieder frei)

KERPEN (dpa-AFX) - Am Tag fünf nach dem Tod eines jungen Journalisten ist es vorbei mit dem Innehalten. Der Alltag kommt gewaltig in den Hambacher Forst zurück: Wasserwerfer und schweres Gerät wurden am Montagmorgen in Stellung gebracht. Die Bewohner des Baumhausdorfes Kleingartenverein werden aufgefordert, die Behausungen zu verlassen. Die Aufforderung verhallt laut Polizei, ohne Reaktion.

Im Hambacher Forst am Braunkohletagebau setzen die Behörden die Räumung von Baumhäusern der Aktivisten fort. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums wurden am Montag die ersten Räumungsverfügungen nach dem mehrtägigen Moratorium ausgesprochen.

Die Polizei appellierte an die Aktivisten, die Baumhäuser freiwillig zu verlassen: "Der Unglücksfall des am Mittwoch tödlich verunglückten Journalisten verdeutlicht, dass eine Lebensgefahr für alle Beteiligten in den Baumhäusern besteht", hieß es in einer Mitteilung. Der 27 Jahre alte Journalist war am Mittwoch durch die Bretter einer Hängebrücke zwischen zwei Baumhäusern gebrochen und gestorben. Die Landesregierung hatte die Räumung mit Sicherheitsaspekten begründet, unter anderem mit fehlendem Brandschutz in den Baumhäusern.

Die Räumung wurde nicht an der Unfallstelle fortgesetzt. Aus Pietätsgründen, wie ein Polizeisprecher sagte. Zu einer privaten Gedenkveranstaltung sollten dort auch die Eltern des jungen Mannes kommen, hieß es in den sozialen Medien.

43 Baumhäuser sind nach Polizeiangaben seit dem Einsatzbeginn vor anderthalb Wochen geräumt worden. Die Polizei war davon ausgegangen, dass insgesamt bis zu 60 Hütten zu räumen sind, stellte diese Zahl jetzt aber in Frage: Möglicherweise seien in den letzten Tagen neue Hütten entstanden, sagte ein Polizeisprecher.

Aktivisten machten am Montag für die Polizei noch eine weitere Einsatzstelle jenseits des Waldes auf: Sie blockierten eine Kohlebahn im Tagebau Hambach und unterbrachen die Kohlezufuhr in die Kraftwerke Neurath und Niederaußem. Acht Aktivisten hätten sich in beiden Richtungen unterhalb der Gleise im Braunkohlerevier verkettet, teilte ein RWE-Sprecher mit. Die Strecke konnte nach Polizeiangaben am späten Nachmittag wieder freigegeben werden. "Wir haben die Ankettungen gelöst", sagte ein Sprecher.

"Wir verwenden bei dieser Blockade Betonklötze unter dem Gleisbett, wie sie auch schon im Castor-Widerstand genutzt wurden, um den Ablauf der Braunkohleverstromung so lange wie möglich zu stören", teilten die Aktivisten mit.

Unterdessen erklärte die Umweltorganisation Greenpeace, die geplante Rodung des Waldgebietes am Braunkohletagebau Hambach sei nicht kurzfristig nötig, um den Abbaubetrieb aufrecht zu erhalten. Der Tagebaubetreiber RWE würde daher mit einer Rodung möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen, erklärte die von Greenpeace beauftragte Rechtsanwältin Cornelia Ziehm am Montag in Berlin. Laut den rechtlichen Bestimmungen sei eine Rodung nämlich nur erlaubt, sobald sie für den Betrieb "unerlässlich" sei.

Greenpeace beruft sich bei seiner Einschätzung auf eine bergbauliche Analyse des unabhängigen Beratungsunternehmens Plejades, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Danach könnte der Tagebau - anders als von RWE dargestellt - noch bis Herbst 2019 weiterbetrieben werden, ohne das angrenzende Waldgebiet zu roden, heißt es in der Stellungnahme. Dazu müsste RWE beispielsweise die Abbaukante des Tagebaus näher an das Waldgebiet heranführen. RWE hatte diese Einschätzung in der Vergangenheit bereits mehrfach als falsch zurückgewiesen.

Der Aachener Bischof Helmut Dieser sieht die Politik in der Pflicht, den Ausstieg aus der fossilen Energie zu beschleunigen. Die Braunkohle gelte als einer der schädlichsten Klimakiller. "Zugleich bedeutet der Braunkohletagebau einen monströsen Eingriff in weite Natur- und Kulturlandschaften, ohne dass die langfristigen ökologischen Folgen absehbar sind", stellte er am Montag in einer Mitteilung fest. Er rief alle Beteiligten im Hambacher Forst zum Gewaltverzicht auf./cpe/DP/tos