Zürich (awp) - In der Politik mehren sich die Stimmen, die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Corona-Krise fordern. Dagegen wehrt sich die SNB. Vizepräsident Fritz Zurbrügg spricht im "NZZ"-Interview von einer drohenden Verpolitisierung der SNB-Gewinne.

"Wenn wir beginnen, die SNB-Gewinnausschüttungen mit Spezialwünschen oder Zweckbindungen zu verknüpfen, erhalten diese Gewinne eine politische Bedeutung, die sie nicht haben sollten", sagte Zurbrügg im Gespräch mit der "NZZ" vom Dienstag. Das würde einen Präzedenzfall schaffen.

"Die bisherige Ausschüttungspolitik hat sich bewährt", unterstrich Zurbrügg. Sie sei auf Stetigkeit ausgerichtet. "Die SNB schüttet über die Zeit alle Überschüsse aus, die sie nicht zum Aufbau von Eigenmitteln benötigt." Für die öffentliche Hand gehe nichts verloren.

Auch der geplanten Verwendung der SNB-Ausschüttungen an den Bund zum Schuldenabbau steht Zurbrügg kritisch gegenüber. Zwar könne die Politik frei über die ausgeschütteten Gewinne verfügen. "Aus meiner Erfahrung in der Finanzverwaltung weiss ich aber, dass es fast nichts Schlimmeres gibt als Zweckbindungen. Denn politische Prioritäten und Bedürfnisse ändern sich im Zeitablauf."

Stabiles Bankensystem

Um die Finanzstabilität der Schweiz macht sich Zurbrügg trotz Corona und einem in diesem Jahr erwarteten Einbruch der Wirtschaft um 6 Prozent kaum Sorgen. Dank der im Rahmen des Basisszenarios erwarteten starken Erholung im zweiten Halbjahr und bei Ausbleiben einer grossen zweiten Welle von Ansteckungen, sei die Krise für die Banken gut zu bewältigen.

Zudem habe sich die Kapitalausstattung der Grossbanken seit der Finanzkrise im Zuge der "Too big to fail"-Regulierungen stark verbessert. Und auch die inlandorientierten Banken hätten auf freiwilliger Basis weitere Kapitalpuffer geschaffen. Die Banken seien gerüstet, die Krise werde aber die Profitabilität belasten, so Zurbrügg weiter.

Auch ungünstige Szenarien mit einer tiefer und länger ausfallenden Rezession wären laut Zurbrügg für das Bankensystem zu verkraften. "Die Banken in der Schweiz könnten dank den hohen Kapitalpuffern Verluste absorbieren und weiterhin ihre realwirtschaftlichen Funktionen erfüllen und genug Kredite vergeben."

Keine Limiten

Die SNB hat in der Corona-Krise mit schätzungsweise 50 Milliarden Franken am Devisenmarkt interveniert und die Notenbankbilanz ist dadurch auf mittlerweile gegen 120 Prozent des BIP angewachsen. "Im Prinzip gibt es keine Limiten", erwiderte der SNB-Vize darauf angesprochen.

Bei der SNB sei man sich aber bewusst, dass die Bilanz Risiken enthalte. "Wir führen immer eine Güterabwägung durch und nehmen die zusätzlichen Risiken auf uns, solange der geldpolitische Nutzen überwiegt", sagte Zurbrügg.

Mit den USA, welche die SNB als Währungsmanipulatorin brandmarken könnte, habe die SNB sehr engen Kontakt. Dabei werde die besondere Situation der Schweiz erklärt. "Interventionen sind für uns als kleine offene Volkswirtschaft essenziell, um für adäquate monetäre Bedingungen zu sorgen."

Ein Inflationsrisiko sieht Zurbrügg derweil kaum. Aber man sei auch dazu bereit, Kritik für einen Kurs in die andere Richtung einzustecken, sollte es darum gehen, ein Überschiessen der Inflation zu verhindern. "Unser Ziel ist Preisstabilität", machte Zurbrügg klar.

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