Bern (awp) - Die Schweizer Wirtschaft dürfte im nächsten Jahr optisch schön wachsen, in Tat und Wahrheit aber höchstes leicht zulegen. Verzerrt wird das BIP-Wachstum im nächsten Jahr nämlich durch einige grosse, aber nicht konjunkturrelevante Sportereignisse.

Gleich drei Institute - das Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco), die Konjunkturforschungsstelle KOF sowie die Schweizerische Nationalbank (SNB) - haben am Donnerstag ihre neuesten Konjunkturprognosen vorgelegt. Und alle sehen eine vergleichbare Entwicklung.

Nach einem Wachstum von gegen 1 Prozent im laufenden Jahr 2019 dürften die Wachstumsrate des Schweizer Bruttoinlandproduktes (BIP) demnach im kommenden Jahr 2020 in den Bereich von 1,5 bis 2,0 Prozent steigen, um danach wieder etwas abzuflachen.

Konkret erwartet das Seco 2020 ein Wachstum von 1,7 Prozent und 2021 ein solches von 1,2 Prozent, bei der KOF sind es 1,8 Prozent und danach 1,4 Prozent. Die SNB hat derweil eine konkrete Prognose erst für 2020 vorgelegt; sie erwartet gegenüber 2019 eine Beschleunigung auf 1,5 bis 2 Prozent.

Falsches Bild

Allerdings gibt diese Entwicklung ein falsches Bild. Sowohl die Beschleunigung des BIP-Wachstums 2020 als auch die Verlangsamung 2021 gingen nämlich auf den Effekt grosser Sportveranstaltungen zurück, der wenig konjunkturelle Relevanz habe, hiess es in der Medienmitteilung des Seco.

Dass der Sporteffekt die eigentliche konjunkturelle Entwicklung überlagern kann, wie es im nächsten Jahr zu erwarten ist, hat vor allem damit zu tun: bekannte internationale Sportverbände wie etwa der internationale Fussball-Verband Fifa, der europäische Fussballverband UEFA oder das internationale Olympische Komitee (IOC) haben ihren Hauptsitz in der Schweiz, wobei die entsprechenden Veranstaltungen nur in den geraden Jahren stattfinden.

Beispielsweise stehen nächstes Jahr die Fussball-Europameisterschaft und Olympische Sommerspiele auf dem Programm, während 2019 oder 2021 keine solchen Anlässe stattfanden bzw. stattfinden werden. Die Sportverbände sind "eindeutig hier gebietsansässig, besitzen die Rechte an den Grossveranstaltungen und erzielen aus deren Vermarktung Lizenzeinnahmen", hielt das Staatssekretariat für Wirtschaft in einer vor einiger Zeit veröffentlichten Studie fest.

Gemäss den aktuell geltenden Regelwerken seien diese Milliarden-Einkünfte in der Schweiz zu verbuchen, analog zu Lizenzeinnahmen in zahlreichen anderen Branchen.

Schwache Grunddynamik

Für die aktuelle Konjunktur heisst das laut Seco, dass die Grunddynamik 2020 trotz deutlich höherer Prognose ähnlich ausfallen dürfte wie im laufenden Jahr, bevor sie dann 2021 moderat anzieht. Die KOF macht gar eine Prognose, bei der sie die Sportveranstaltungen herausrechnet: und da sind die BIP-Wachstumsraten für 2020 und 2021 genau umgekehrt wie in der Hauptprognose - nämlich 1,4 Prozent Wachstum im 2020 und 1,8 Prozent dann im 2021.

Es ist vor allem die weltweite Konjunkturentwicklung, die momentan noch auf die Wirtschaftsdynamik in der Schweiz drückt. "Das internationale Umfeld bleibt ungünstig", meint das Seco. Insbesondere für den Euroraum und für den wichtigen Handelspartner Deutschland sei von einem weiterhin schwachen Wachstum auszugehen. Auch die SNB rechnet "kurzfristig mit einer weiterhin verhaltenen Dynamik".

Vor allem die industrienahen Branchen wie etwa die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie sind davon betroffen. In der Summe dürften sich die Warenexporte deutlich schwächer als in den vier vergangenen Jahren entwickeln, schätzen die Ökonomen des Bundes. Damit einhergehend werde die Auslastung der industriellen Produktionskapazitäten zunächst tief bleiben.

Gewisse Risiken abgeschwächt

Immerhin dürfte sich laut KOF der Abschwung aber nicht weiter verstärken, was unter anderem einer gewissen Entspannung beim Handelskonflikt zwischen den USA und China zu verdanken sei. Auch das Risiko eines ungeordneten Brexit sei gesunken, meint man beim Seco. Die internationalen Risiken seien somit insgesamt etwas geringer geworden.

Gleichwohl betonen sowohl alle Institute, dass die Risiken in der Tendenz weiter eher abwärtsgerichtet sind. Vor allem gibt es weiterhin auch Schweiz-spezifische Risiken. Ein solches ist laut Seco etwa eine Verschlechterung des Verhältnisses der Schweiz mit der EU. Eine solche könnte die Standortattraktivität und Investitionsbereitschaft in der Schweiz beeinträchtigen. Ausserdem bleibe das Risiko einer starken Korrektur im Immobiliensektor bestehen.

uh/jb