Zürich (awp) - Die Prognosen zum Schweizer Wirtschaftswachstum gehen derzeit recht weit auseinander. Die Experten beurteilen vor allem das internationale Umfeld unterschiedlich. Einigkeit herrscht aber darin, dass vieles ungewiss ist.

Gleich drei renommierte Institute wagten am Donnerstag eine Prognose zur weiteren Entwicklung der Schweizer Wirtschaft. Und sie kamen dabei zu unterschiedlichen Schlüssen.

Relativ pessimistisch sind die Ökonomen des Bundes (Seco), die im laufenden Jahr nur ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 1,2 Prozent erwarten. Das liegt unter dem langjährigen Durchschnitt. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) geht dagegen von einem Wachstum von 1,6 Prozent aus. Die Schweizerische Nationalbank schliesslich positioniert sich mit "rund 1,5 Prozent" in der Mitte.

Entsprechend ist auch die Wortwahl unterschiedlich. Laut dem Seco "bremst" die schwächere Weltkonjunktur die Schweizer Wirtschaft. Für das KOF "stützt" hingegen die Industrie die hiesige Konjunktur.

Schub im Startquartal

Die KOF schraubte dabei ihre Prognose deutlich nach oben. Bis anhin war sie lediglich von einem Wachstum von 1,0 Prozent ausgegangen. Begründet wurde die optimistischere Sicht mit den vorliegenden Zahlen zum Wachstum im ersten Quartal. In der jüngsten Vergangenheit sei die Konjunkturentwicklung einiges positiver ausgefallen, als man in der vorherigen Prognose erwartet habe, sagte KOF-Direktor Jan-Egbert Sturm.

Für die momentan gute Verfassung der Schweizer Wirtschaft macht er vor allem die Industrie verantwortlich. Nachdem sich der Franken in den vergangenen Jahren etwas abgeschwächt habe und teuerungsbereinigt inzwischen auf einem ähnlichen Niveau wie vor der Aufhebung des Euro-Mindestkurses liege, sei die Industrie wieder wettbewerbsfähiger geworden und erziele normalere Margen.

Abgesehen von der Autozulieferern sei sie ausserdem vor allem in Produktionsbereichen tätig, die nicht von erhöhten Zöllen der USA betroffen seien, so der Ökonom weiter.

Nur eine "Delle"

Auch das Seco anerkennt zwar, dass das Startquartal gut ausgefallen sei. "Wir sehen für die kommenden Quartale aber ein noch unterdurchschnittliches Wachstum auf uns zukommen", sagte Eric Scheidegger, Leiter der Direktion für Wirtschaftspolitik beim Seco, der Nachrichtenagentur AWP. Der Trend zeige nach wie vor abwärts.

Die internationale Nachfrage nach Schweizer Produkten flache nämlich wegen der nachlassenden internationalen Konjunkturdynamik ab, was die Exportwirtschaft bremse. Gleichzeitig würden die Unternehmen wegen der sinkenden Auslastung und der grossen Unsicherheit weniger investieren. Und auch von den Bauinvestitionen seien nur moderate Wachstumsimpulse zu erwarten.

Scheidegger betonte jedoch, dass er die aktuelle Schwäche und das unterdurchschnittliche Wachstum als "Delle" sieht. "Ich rechne schon gegen Ende 2019 mit einer Erholung". 2020 sollte die Schweizer Wirtschaft seiner Meinung nach mit 1,7 Prozent wachsen. Das KOF ist jedoch auch hier optimistischer (+2,3%). Von der Nationalbank gibt es noch keine Prognose für 2020.

Trump entscheidend

Einig sind sich die Auguren, dass die Risiken für alle Vorhersagen gross sind. Diese seien "nach unten gerichtet", meinte die Schweizerische Nationalbank zu ihrer 2019er-Prognose. Und sie seien auch ausgeprägter als bei der letzten Prognose vom März.

Konkret wird damit vor allem der Handelsstreit angesprochen. Eine unerwartet starke Abschwächung der internationalen Wirtschaft, die durch eine weitere Eskalation ausgelöst würde, dürfte sich laut der SNB rasch auf die Schweiz übertragen.

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