MÜNCHEN/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Im Ringen um die geplante Fusion der Siemens-Zugsparte mit dem französischen Hersteller Alstom wollen die Konzerne der EU-Kommission nicht noch weiter entgegen kommen. Die Kommission sieht das Vorhaben äußerst kritisch. Man werde nun abwarten, wie Brüssel entscheidet, hieß es am Donnerstag aus Kreisen des Münchner Technologiekonzerns. In den vergangenen Tagen hätten die Verantwortlichen noch einmal mit weiteren Angeboten nachgelegt. Im Umfeld der Unternehmen äußerte man sich skeptisch, die Kommission damit überzeugt zu haben. Mehr Konzessionen werde es aber nicht geben.

Die Behörde fürchtet um den Wettbewerb innerhalb der EU, wenn die Hersteller der Hochgeschwindigkeitszüge TGV und ICE zusammengehen - sowohl bei den Zügen als auch bei der Signaltechnik. Sie verlangt deshalb, dass die Wettbewerber Teile dieser Geschäftsbereiche an Konkurrenten abtreten.

Aus Sicht der beiden Konzerne sowie ihrer jeweiligen Regierungen ist die Fusion hingegen ein wichtiger Schritt, um einer wachsenden Zug-Konkurrenz aus China künftig etwas entgegenzusetzen. Siemens hat deshalb nach eigenen Angaben unter anderem Veräußerungen mit einem Volumen von rund vier Prozent des Umsatzes angeboten, also etwa 600 Millionen Euro. Diese hätten sich vor allem auf die Signaltechnik bezogen, bei der der Wettbewerb in Europa als vergleichsweise schwach gilt.

Für die Wettbewerbsbehörden Großbritanniens, Spaniens, der Niederlande, Belgiens und Deutschlands jedoch ist das nicht ausreichend. Sie bezogen in Briefen an die EU-Kommission gegen das Vorhaben Stellung.

Knackpunkt in den Diskussionen waren den Kreisen zufolge Forderungen der EU-Behörde, wonach die Konzerne auch im Bereich der Hochgeschwindigkeitstechnik mit Geschwindigkeiten ab 250 Kilometern pro Stunde Zugeständnisse machen sollten. Siemens habe daraufhin einer Technik-Übertragung seiner älteren Velaro-Technologie an die Konkurrenz zugestimmt, auf der auch der ICE 3 basiert.

Die Kommission forderte demnach aber auch den Zugriff der Konkurrenz auf neuere Zugplattformen für zehn Jahre. In dieser Zeit hätte Siemens/Alstom diese Technik nicht selbst nutzen dürfen - zu lange für die Unternehmen, wie es nun hieß. Man sei mit den eigenen Zugeständnissen bereits "ziemlich an die Kante gegangen". Von den Einwänden im Bereich der Hochgeschwindigkeitstechnik sei man überrascht worden, hieß es am Donnerstag. Der Wettbewerb sei hier angesichts mehrerer europäischer Konkurrenten weitgehend gegeben.

Der Ball liegt damit im Feld der Kommission. Bis zum 18. Februar muss sie entscheiden, ob sie der Fusion zustimmt, oder nicht. Doch auch wenn Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in der Sache federführend ist, innerhalb der EU-Kommission gibt es durchaus Differenzen. Eine Aussprache unter den 28 EU-Kommissaren bezeichnete Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Dienstag als "ehrliche, offene Diskussion". "Wir wollen die Entwicklungen der Wirtschaft von morgen mit in Betracht ziehen. Wir sind nicht naiv", sagte der französische Sozialist weiter.

Druck macht zudem auch die französische Regierung, die die Fusion genauso wie die deutsche klar befürwortet. "Eine Ablehnung der EU-Kommission wäre ein wirtschaftlicher Irrtum und auch ein politischer Fehler", sagte Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Mittwoch in Paris nach einer Kabinettssitzung in ungewohnt deutlichen Worten. Falls der Deal in Europa scheitere, wäre das ein "schlechtes Signal" für die Menschen in Europa.

Ein Scheitern der Fusion hätte für die Konzerne indes kaum kurzfristige Auswirkungen. Sowohl dem französischen Zughersteller Alstom als auch der entsprechenden Siemens-Sparte geht es blendend. Im dritten Quartal (per Ende Dezember) verdoppelte Alstom das Neugeschäft auf 3,4 Milliarden Euro, wie der Konzern am Donnerstag in Paris mitteilte. Der Umsatz stieg um 10 Prozent auf 2 Milliarden Euro. Auch die Zugsparte von Siemens verzeichnete zuletzt deutliche Zuwächse bei Umsatz und Ergebnis.

Mit dem Zusammengehen wollten Siemens und Alstom dem inzwischen weltgrößten Zughersteller CRRC aus China frühzeitig etwas entgegensetzen. Sie fürchten, dass China bei der nächsten Ausschreibungswelle für Hochgeschwindigkeitszüge in Europa in rund fünf Jahren bereits mitmischen könnte./maa/nas/DP/jha