Der weltgrößte Rückversicherer habe aber seine Potenziale bislang nicht ausgeschöpft, sagte Wenning in einem am Montag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Auch ohne neue Themen wie Cyber-Versicherungen sehen wir Wachstumspotenziale. Wir haben unsere Marktanteile analysiert und sehen, dass mehr Geschäft zu holen ist. In einigen Regionen sind wir unterrepräsentiert." Das gelte auch für vermeintlich gesättigte Märkte wie die USA, betonte Wenning. Aggressiver wolle der Weltmarktführer dabei nicht werden. "Unsere Ansprüche sind unverändert. Aber wir sagen: Holt alles Geschäft herein, das unseren Ansprüchen an Risikoneigung und Marge entspricht."

Der 53-Jährige hatte vor fast einem Jahr die Nachfolge von Nikolaus von Bomhard angetreten. Am Mittwoch stellt sich Wenning auf der Hauptversammlung zum ersten Mal den Aktionären. Er fordert mehr Geschäftsgeist von der Belegschaft. "Bisher waren wir stark darauf ausgerichtet, unsere Jahrespläne zu erfüllen", zog er Bilanz. "Es ist mir aber viel lieber, wenn wir uns auf dem Markt konzentrieren, statt bei den Zielen eine Punktlandung hinzulegen." Für das laufende Jahr hat sich die Münchener Rück nach der Welle von Naturkatastrophen einen Gewinn von rund 2,3 Milliarden Euro vorgenommen. "Bis 2020 werden wir unseren Gewinn schrittweise auf 2,8 Milliarden Euro erhöhen, indem wir uns auf das Geschäft fokussieren", bekräftigte Wenning.

In seinem ersten Jahr an der Konzernspitze hatten schwere Wirbelstürme und Erdbeben den Gewinn auf rund 400 Millionen Euro einbrechen lassen - geplant waren mehr als zwei Milliarden. Der weltweite Rückversicherungsmarkt gilt als übersättigt, weil viele Hedgefonds und andere Finanzinvestoren auf der Suche nach Rendite Milliarden in den Markt pumpen. Eine Welle von Naturkatastrophen ließ deshalb die Nachfrage zwar steigen, führte aber in Summe nur zu marginal steigenden Preisen. Dennoch zeigte sich Wenning zufrieden: "Ich habe nicht erwartet, dass es zu größeren Preiserhöhungen kommt. Wir haben die Ertragswende geschafft. Unsere Gewinne werden steigen - auch ohne Ratenerhöhungen."

Um das zu erreichen, hat Wenning auch Verträge im Auge, mit denen Rückversicherer durch die pauschale Übernahme eines Teils der Risiken dazu beitragen, dass Erstversicherer weniger teures Eigenkapital brauchen. Damit können diese ihre Rendite erhöhen. Auch von der wachsenden Zahl von Fusionen - wie der Übernahme der XL Group durch die französische Axa - könne die Münchener Rück profitieren. "Denn von fusionierten Unternehmen wird erwartet, die prognostizierten Ergebnisse auch zu erfüllen. Zu große Schwankungen - die wir ausgleichen können - würden da stören."

"EIN SOLIDER ANKERINVESTOR IST GUT"

Für Aufregung in der Branche hat auch die Ankündigung des japanischen Technologie-Investors Softbank gesorgt, bei Swiss Re einzusteigen. Die Schweizer wollen dafür aber nicht ihr Kapital erhöhen. Wenning könnte sich einen ähnlichen Schritt bei der Münchener Rück durchaus vorstellen. "Einen soliden Ankerinvestor zu haben, ist gut." Der US-Investor Warren Buffett hatte in der Spitze mehr als zwölf Prozent an der Münchener Rück gehalten, ist aber 2015 ausgestiegen. "Dem Grundsatz nach würden wir einen Ankerinvestor willkommen heißen", sagte der Vorstandschef. "Sind wir auf der Suche nach einem? Nein." Ob ein neuer Investor auf die Münchener Rück zugekommen sei, wollte er nicht sagen. Über die Motive der Japaner herrscht branchenweit Rätselraten. "In der Theorie kann ich mir vorstellen, dass es Synergien gibt. Aber bewerten kann ich das nicht", sagte Wenning.

Der Austritt Großbritanniens aus der EU wirft auch bei den Rückversicherern seine Schatten voraus. "Wir sind auf einen harten Brexit vorbereitet", sagte Wenning. Zum einen bekommen wir von der BaFin und der britischen Aufsicht PRA entsprechende Signale. Zum anderen sehe ich noch nicht die Sicherheit, dass man bei den Austrittsverhandlungen zu einer vernünftigen Einigung kommt." Schließlich sei es nicht einmal mehr ein Jahr bis zum geplanten Brexit. "Einige Broker fragen uns deshalb schon, ob wir für unsere zwölfmonatige Deckungsperiode noch die nötige Lizenz haben." Deshalb habe die Münchener Rück schon im März die notwendigen Lizenzanträge in London gestellt. "Das ist ein sehr bürokratischer Prozess, der uns einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag kostet. Es ist aber unvermeidlich, weil Großbritannien ein großer Markt ist und bleibt."