Zürich (awp) - Die Eidg. Wettbewerbskommission (Weko) gibt ohne Einschränkungen grünes Licht für die Übernahme von UPC Schweiz durch Sunrise. Der Milliarden-Deal ist damit aber noch nicht in trockenen Tüchern. Mit der Kapitalerhöhung wartet noch eine grosse Hürde.

Die Weko hat den 6,3-Milliarden-Kauf ohne Bedingungen oder Auflagen durchgewinkt, wie sie am Donnerstag bekannt gab. Sunrise rechnet nun bis Ende November 2019 mit dem Vollzug der Transaktion, wie die Telekomfirma ihrerseits mitteilte.

Sunrise werde mit dem Deal zum zweitgrössten Telekomunternehmen der Schweiz. Aber der Zusammenschluss werde nicht zu einer gemeinsamen Marktbeherrschung mit der Swisscom führen, begründete die Weko die Genehmigung ohne Auflagen. Die Wettbewerbshüter erwarten vielmehr eine Belebung des Wettbewerbs.

Denn im Gegensatz zum Zusammenschlussvorhaben Sunrise/Orange, das die Weko im April 2010 verboten hatte, würden sich Sunrise und UPC Schweiz in vielen Bereichen ergänzen. Sunrise habe zudem angekündigt, in Zukunft Produkte zu einem günstigen Preis anbieten zu wollen, um Marktanteile zu gewinnen, schrieb die Weko.

Beobachter hatten dagegen mit Auflagen der Weko gerechnet. Erwartet worden war etwa, dass Sunrise das UPC-Netz auch für Konkurrenten öffnen müsse.

Branchenprimus Swisscom zeigte sich "nicht überrascht" von dem Entscheid. "Ob mit oder ohne Fusion: Der Wettbewerb in der Branche bleibt intensiv", hiess es auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP am Donnerstag. Und die Kunden würden von einem breiten Angebot zu günstigen Preisen profitieren, bestätigte auch Swisscom.

Stolperstein Kapitalerhöhung

Mit der Genehmigung der Weko stehen der Transaktion somit keine weiteren regulatorischen Hürden mehr im Weg. Ein grosser Stolperstein lauert allerdings noch. Denn die Sunrise-Aktionäre müssen einer Kapitalerhöhung um satte 4,1 Milliarden Franken zustimmen, damit Sunrise den 6,3 Milliarden Franken schweren Kauf überhaupt stemmen kann.

Allerdings stösst die Transaktion bei gewichtigen Aktionären auf Ablehnung und wird von diesen bekämpft. Vor allem die deutsche Freenet stellt sich gegen den Deal und wird auch die Kapitalerhöhung ablehnen. Freenet hält rund 25 Prozent der Sunrise-Aktien. War Freenet zuerst nur gegen die Struktur des Deals, so stellt sie diesen nun grundsätzlich in Frage.

Die neue Mobilfunktechnologie 5G komme viel schneller als gedacht und kannibalisiere das Kabelgeschäft von UPC, sagte Freenet-Chef Christoph Vilanek auf Anfrage. Letzte Woche habe Sunrise ein Angebot für Internet und TV zu Hause über 5G lanciert, welches UPC konkurrenziere.

"Ich glaube, dass in fünf Jahren das TV-Kabel völlig unbedeutend ist", sagte Vilanek: "Wenn der Deal eh schon teuer ist und nur fünf Jahre für die Amortisierung bleiben, dann gute Nacht!"

Die Weko selber greife in ihrer Begründung der Kartellfreigabe dieses Argument auf, wonach "zukünftig mobile Technologien zunehmend als kostengünstiger Ersatz für einen leitungsgebundenen Breitbandinternetanschluss eingesetzt" werden, erklärte Freenet. Somit sei es für die erfolgreiche Sunrise nicht sinnvoll, das rückläufige Geschäft eines Kabelanbieters zu erwerben.

Showdown im Oktober

Unterstützt wird Freenet vom aktivistischen Investor Active Ownership Capital (AOC) und weiteren Aktionären. AOC sieht ebenfalls die strategische Logik des Deals nicht mehr. Zudem stören sich die gegnerischen Aktionäre am Preis und am Volumen der geplanten Kapitalerhöhung.

Jüngst haben sich aber auch Befürworter der Transaktion zu Wort gemeldet. "Die Transaktion macht strategisch extrem viel Sinn", sagte etwa einer der zehn grössten Aktionäre der Nachrichtenagentur Reuters. Diesem hätten sich zwei weitere der 20 gewichtigsten Anteilseigner angeschlossen.

Nun wurde auch festgelegt, wann der "Showdown" stattfinden soll. Die ausserordentliche Generalversammlung, an der sich Sunrise das "Ok" für die Kapitalerhöhung holen will, wird im Oktober stattfinden. Und zwar "voraussichtlich" am 23. Oktober.

Konsumentenschutz sieht Duopol entstehen

Kritik am Zusammenschluss hagelt es auch seitens der Stiftung für Konsumentenschutz. Diese zeigte sich "sehr überrascht über den Entscheid". Es sei nicht nachvollziehbar, "warum die Weko im aufziehenden Duopol kein Problem sieht." Es sei absehbar, dass der Dritte im Bunde, Salt, nach einer Fusion den beiden Telekomunternehmen Sunrise und Swisscom nicht mehr die Stirn bieten könne.

Somit würden zwei grosse "Player" den Schweizer Telekommarkt untereinander gütlich aufteilen - wie dies bereits im Detailhandel der Fall sei, so die Konsumentenschützer. "Sunrise und Swisscom werden zu den neuen Migros und Coop: Die Produkte sind im wesentlichen die gleichen, die Preisunterschiede bewegen sich im Rappenbereich." Von hartem Konkurrenzkampf könne keine Rede sein.

Dieser Ansicht stimmen auch Finanzmarktexperten zu. Damit sich die als eher teuer eingeschätzte Transaktion überhaupt lohne, werde Sunrise wohl kaum zum exzessiven Preisdrücker, hiess es beispielsweise in einem Kommentar der Zürcher Kantonalbank. Ausserdem werde auch Salt als kleinster Anbieter im neuen Umfeld zweier starker Wettbewerber in puncto Preis weniger ausrichten können als vorher. Der Wettbewerb dürfte sich weniger um den Preis, sondern eher um die Qualität drehen, argumentierte der ZKB-Aktienanalyst.

An der Börse schlug der Entscheid keine grossen Wellen. Die Sunrise-Aktie stand gegen 16.42 Uhr um 0,9 Prozent höher bei 77,85 Franken, während der Gesamtmarkt gemessen am SPI um 1,2 Prozent zulegte. Die Swisscom-Aktie gewann 0,8 Prozent hinzu.

Die Gewerkschaft Syndicom forderte Sunrise auf, nach dem Kauf von UPC ihre soziale Verantwortung gegenüber den betroffenen Mitarbeitern wahrzunehmen. "Allfällige Veränderungen beim Personalbestand müssen soweit möglich über die Fluktuation gesteuert werden", hiess es in einer Stellungnahme.

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