(neu: Aussagen der Hannover Rück, Marktanteile, betroffene Katastrophenanleihen, Aktienkurse)

MONTE CARLO/BOSTON (dpa-AFX) - Der über Florida rasende Hurrikan "Irma" könnte paradoxerweise zum Glücksfall für die Rückversicherer werden. Zwar werden die Schäden durch Sturm und Hochwasser in die Milliarden gehen, auch wenn der Hurrikan Floridas Hauptstadt Miami nicht direkt getroffen hat. Doch nährt "Irma" beim jährlichen Rückversicherer-Treffen in Monte Carlo die Hoffnung der Branche, dass der seit Jahren tobende Preisverfall bei den Prämien ein Ende finden könnte. Bitter könnte es Anleger einiger Katastrophenanleihen treffen.

Am Finanzmarkt wurden die jüngsten Entwicklungen mit Kurssprüngen quittiert. Die Aktien der weltgrößten Rückversicherer Munich Re , Swiss Re und Hannover Rück legten bis zum späten Montagvormittag um mehr als vier Prozent zu und setzten sich dabei an die Spitze der jeweiligen Aktien-Indizes.

HANNOVER RÜCK ZWEIFELT NICHT AN GEWINNZIEL

Besonders klar äußerte sich Hannover-Rück-Chef Ulrich Wallin dazu, dass die Wirbelstürme "Harvey" und "Irma" seine Ziele für 2017 nicht in Gefahr bringen. "Wir erwarten, dass unsere Gewinnprognose von mehr als einer Milliarde Euro weiterhin gilt", sagte er am Montag beim "Rendez-vous de Septembre" in Monte Carlo. Es gebe keinen Hinweis, dass die Schäden das Großschaden-Budget des Konzerns sprengen, das sich für 2017 auf 825 Millionen Euro beläuft.

Die Hannover Rück kommt nach eigenen Angaben in Florida und dem zuvor von Hurrikan "Harvey" getroffenen Bundesstaat Texas nur auf einen Marktanteil von unter zwei Prozent. Auch Weltmarktführer Munich Re sieht sich in Florida nicht mehr stark vertreten. Der Preiskampf der vergangenen Jahre hatte das Geschäft für viele unattraktiv gemacht. Auch Starinvestor Warren Buffett und seine Holding Berkshire Hathaway haben sich zu großen Teilen aus dem US-Katastrophengeschäft zurückgezogen.

HOFFEN AUF ENDE DES PREISVERFALLS

Angesichts der hohen Schäden erwarten Rückversicherer nun ein Ende des Preisverfalls. So rechnet der weltweit zweitgrößte Branchenvertreter Swiss Re bei der Absicherung von Gebäuden und Autos zumindest mit einer Stabilisierung des Prämienniveaus. Die Hannover Rück geht insgesamt von stabilen Preisen aus. In von Schäden betroffenen Regionen sagte Wallin wie schon Munich-Re-Manager Torsten Jeworrek merkliche Prämienerhöhungen voraus. Eine Preiswende im gesamten Geschäft weltweit wollten beide aber noch nicht prognostizieren.

Rückversicherer übernehmen Risiken von Erstversicherern wie der Allianz , Axa und Generali , die damit einen Teil ihrer Geschäfte absichern. Im Fürstentum Monaco an der Côte D'Azur treffen sich Vertreter beider Seiten sowie Makler jährlich im September, um Preise und Konditionen für die Vertragserneuerung zum folgenden Jahreswechsel abzustecken.

Zuletzt hatten geringe Katastrophenschäden Erstversicherern immer wieder Argumente gegeben, die Preise für Rückversicherungsschutz nach unten zu drücken. Große Ratingagenturen gingen vor "Irma" davon aus, dass dieser Abwärtstrend 2018 weitergeht. Standard & Poor's (S&P) hatte Abschläge von bis zu 5 Prozent auf dem Zettel, die Agentur Fitch sogar bis zu 7,5 Prozent.

KAPITALSCHWEMME UND NIEDRIGE ZINSEN

Zu Erwartungen trugen auch eine Kapitalschwemme und die niedrigen Zinsen bei. So schwoll das Kapital in der klassischen Rückversicherung laut S&P von 2011 bis 2016 weltweit von rund 350 Milliarden auf 443 Milliarden Dollar an. Damit wuchs das Angebot an Rückversicherungsschutz, die Nachfrage blieb dahinter zurück. Zudem drängten branchenfremde Anleger wie Pensions- und Hedgefonds in das Geschäft. Mit Investitionen in Katastrophenanleihen und andere junge Formen von Rückversicherungen wetteten sie darauf, dass bestimmte Katastrophen nicht eintrafen. Dieses alternative Rückversicherungskapital wuchs laut dem Versicherungsmakler Aon von 2011 bis 2016 von etwa 28 Milliarden auf 81 Milliarden Dollar.

Dominiert wird das Treffen in Monte Carlo vom bangen Blick auf "Irma". Die Risikoexperten des Versicherungsdienstleisters AIR Worldwide aus Boston schätzten die versicherten Schäden durch in den USA und auf karibischen Inseln am Samstag auf 20 bis 65 Milliarden US-Dollar (17 bis 54 Mrd Euro). Zum Zeitpunkt der Schätzung hatte "Irma" Florida aber noch nicht erreicht. Der Hurrikan ist der schwerste jemals in der Region registrierte Tropensturm. Er dürfte die Versicherungsbranche viel heftiger treffen als Hurrikan "Harvey" wenige Tage zuvor.

ERSTER TEST FÜR KATASTROPHENANLEIHEN

Jetzt schauen Experten darauf, ob von "Irma" betroffene Inhaber von Katastrophenanleihen erneut hohe Summen in dieses riskante Geschäft investieren, das im Idealfall hohe Renditen verspricht. "Das wird wohl der erste bedeutende Test, wie Inhaber von Katastrophenanleihen auf solche Verluste reagieren", sagte Analyst Robert DeRose von der auf Versicherer spezialisierten Ratingagentur A.M. Best. Laut S&P könnten 13 verschiedene Katastrophenanleihen von "Irma" betroffen sein. Das Geld der meist institutionellen Anleger wäre damit im Zweifel weg./stw/tos/oca