Zürich (awp) - Die Schadenssummen für die Versicherungswirtschaft dürften in den kommenden Jahren steigen. Die Weltwirtschaft wachse und die Menschen zögen immer mehr in die Städte, die sich häufig am Rande eines Meeres befänden, sagte Swiss Re-CEO Christian Mumenthaler in einem am Montagabend online veröffentlichten Interview mit dem deutschen "Handelsblatt". "Es gibt damit generell mehr versicherbare Werte an gefährlichen Orten."

Dieser Trend wachse stärker als das weltweite Bruttosozialprodukt, betonte Mumenthaler. "Selbst wenn der gleiche Sturm nach mehreren Jahrzehnten an der gleichen Stelle wiederkäme, hätte er weit schlimmere Konsequenzen als damals." Hinzu komme der Klimawandel, was in der Kombination zu steigenden Schadenssummen führen dürfte.

Er rate dazu, dass sich alle Beteiligten - also die Städte, die Industrie, die Menschen - an die höhere Gefahr anpassten. "Die wäre an vielen Orten durchaus versicherbar."

Hurrikan-Saison noch vor Höhepunkt

Den Wetterbericht verfolge er derzeit "sehr genau", bestätigte Mumenthaler. So gebe es in Japan gerade viel mehr Taifune als in den vergangenen Jahrzehnten - und die Saison laufe noch drei Wochen. Die Hurrikan-Saison gehe bis in den Oktober hinein: "Wir erwarten, dass der Höhepunkt noch kommt." Die Wissenschaft bestätige, dass "wir höhere Seetemperaturen haben, eine größere Frequenz von Hurrikans und in Europa besonders warme Sommer".

Über Ernteausfälle in Zentraleuropa wegen des heissen Sommers zu reden, sei noch zu früh. "Aber der Schaden wird für Rückversicherer nie so hoch sein wie bei einem Hurrikan", so der Swiss Re-Chef.

Überschätzte künstliche Intelligenz

Bezüglich Digitalisierung erwartet Mumenthaler, dass dies in den nächsten Jahren vor allem ein Erstversicherungsthema sein werde - denn dort liege das größte Potenzial. "Im Vergleich dazu sind Rückversicherer spezialisierter und besitzen weniger standardisierte Prozesse."

Zudem gebe es auch zu viel "Hype" um die neuen Technologien. Beispielsweise werde das Thema künstliche Intelligenz - jedenfalls im Moment - noch überschätzt. "Wenn man sich den Stand der Technologie betrachtet, dann ist das sehr ernüchternd." Zwar gebe es gute Ergebnisse beim Spielen von Schach oder Go oder bei der Bildverarbeitung im medizinischen Bereich oder der Gesichtserkennung. "In den allermeisten Bereichen der Versicherungs-Wertschöpfungskette gibt es aber sehr limitierte Erfolge."

Freundliche Trennung von Softbank

In den schlussendlich ergebnislos verlaufenen Gesprächen mit dem japanischen Technologie-Konzern Softbank sei Swiss Re vor allem an den "innovativen digitalen Aspekten" interessiert gewesen, "nicht so sehr an einer bedeutenden Beteiligung ihrerseits an der Swiss Re". "Letztlich ist man freundlich auseinandergegangen", bekräftigte Mumenthaler.

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