(Neu: Weitere Aussagen Berg, Einschätzung Auswärtiges Amt, Insolvenz der österreichischen Tochter)

OBERURSEL/BERLIN (dpa-AFX) - Einst warb Neckermann mit Urlaubsreisen für Jedermann - jetzt ist der Traditionsveranstalter in schwere Turbulenzen geraten. Der Veranstalter Thomas Cook Deutschland, zu dem unter anderem die Marken Neckermann, Öger Tours und Bucher Reisen gehören, stellte am Mittwoch Insolvenzantrag. Etwa 120 000 Urlauber sind nach Angaben von Geschäftsführerin Stefanie Berk noch mit dem Unternehmen unterwegs.

Das Auswärtige Amt erwartet keinen Massenandrang von im Ausland festsitzenden Urlaubern aus Deutschland. In den betroffenen Tourismusregionen sei die Zahl der Mitarbeiter in den Auslandsvertretungen aber verstärkt worden, sagte ein Sprecher.

Der Reiseverband DRV betonte, betroffene Pauschalreisende könnten "ihren Urlaub regulär zu Ende bringen und plangemäß nach Hause fliegen". Den Angaben zufolge kümmert sich der Versicherer Zurich um betroffene Pauschalurlauber. "Jetzt, wo Thomas Cook Deutschland Insolvenz angemeldet hat, springt der Insolvenzversicherer Zurich ein", sagte DRV-Präsident Jörg Fiebig. Das Unternehmen habe angekündigt, die Kosten sowohl für die Hotels auch für die Rückflüge zu übernehmen. Hotels hätten daher keinen Grund, Pauschalreisende aus Angst vor Zahlungsschwierigkeiten des Reiseveranstalters zur Kasse zu bitten.

Zurich sichert nach eigenen Angaben "im Rahmen der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen die Übernahme der Kosten für die Beherbergung der Reisenden im Zielgebiet. Entsprechendes gilt auch für die Rückreise." Die Absicherung gilt für gebuchte Pauschalreisen von Öger Tours, Neckermann, Bucher Reisen, Thomas Cook Signature und Air Marin.

Thomas Cook Deutschland strebt mit der Insolvenz eine Sanierung an. Es soll verhindert werden, dass das Unternehmen Teil der Insolvenzmasse des britischen Mutterkonzerns wird. "Ziel einer Sanierung ist es, das profitable, aber schon länger durch das schwache Geschäft von Thomas Cook in Großbritannien und den Brexit belastete Geschäft des deutschen Veranstalters selbstständig fortzuführen", hieß es. Das Unternehmen beschäftigt in Deutschland etwa 2000 Mitarbeiter. "Wir glauben an die Sanierungsfähigkeit der Company", sagte Berk.

Wie der Ferienflieger Condor, ebenfalls eine Tochter des britischen Reisekonzerns, hatte auch die Thomas Cook GmbH einen Überbrückungskredit beim Bund beantragt. Dabei soll es sich um 375 Millionen Euro handeln, wie die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch aus Koalitionskreisen erfuhr. Die Prüfung laufe. Condor hatte am Dienstagabend die Zusage über eine Bürgschaft von 380 Millionen Euro erhalten.

"Das überaus positive Feedback aus unseren Gesprächen der letzten Tage macht uns sehr zuversichtlich, dass die Traditionsmarken Neckermann Reisen, Öger Tours und Bucher Reisen die Chance bekommen, bald wieder in gewohnter Weise am Markt aktiv sein zu können", sagte Berk. Es gebe Partner, die interessiert seien, "um die Winterliquidität, die wir dringend brauchen für dieses Geschäft, sicherzustellen."

Die Thomas Cook Deutschland hatte den Verkauf von neuen Reisen am Montag gestoppt. Urlauber, die bereits gebucht hatten, können seit Wochenbeginn nicht starten. Reisen sind zunächst bis diesen Donnerstag abgesagt.

Auch der österreichische Ableger von Thomas Cook stellte am Mittwoch einen Insolvenzantrag. "Jeglicher Verkauf von Reisen aus dem Portfolio der Thomas-Cook-Veranstalter ist gestoppt", teilte die Thomas Cook Austria AG in Wien mit.

In Deutschland forderte die Gewerkschaft Verdi, es müsse alles dafür getan werden, um die Weiterführung des Geschäftsbetriebs zu ermöglichen und die Arbeitsplätze zu erhalten. "Es geht hier nicht nur um die rund 2000 Beschäftigten von Thomas Cook in Deutschland, sondern auch um die Beschäftigten von mehreren Tausend Reisebüros im ganzen Land, die auch für Thomas Cook Reisen verkaufen", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle.

Neckermann Reisen war einst für Millionen Bundesbürger der Inbegriff von Pauschalreise. Ab 1964 bot das Unternehmen unter dem Slogan "Neckermann macht's möglich" die Reisen an. Nach einer wechselvollen Geschichte mit diversen Zukäufen firmierte der Veranstalter ab 2002 unter der Dachmarke Thomas Cook.

Anlass zur Sorge um das Produkt Pauschalreise sieht der Reiseverband DRV nicht. Es handele sich um einen singulären Fall. "Das haben wir auch der politischen Unsicherheit im Großbritannien zu verdanken, wo ja der Mutterkonzern von Thomas Cook sitzt"./mar/DP/jha