DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Einigung nach zähem Ringen: Die 72 000 Beschäftigten der nordwestdeutschen Stahlindustrie bekommen künftig mehr Geld. Die Arbeitgeber und die Gewerkschaft IG Metall einigten sich am frühen Sonntagmorgen nach 16-stündigen Verhandlungen auf einen neuen Tarifvertrag. Der Einigung zufolge sollen die Entgelte ab März 2019 um 3,7 Prozent steigen. Für die Monate Januar und Februar gibt es insgesamt eine Einmalzahlung von 100 Euro, wie die IG Metall mitteilte. Es war bereits die fünfte Verhandlungsrunde gewesen, zuvor hatte die Arbeitnehmerseite den Druck mit Warnstreiks hoch gehalten. Der neue Tarifvertrag läuft bis Ende Februar 2021.

Ein zusätzliches "Urlaubsgeld" war ein Knackpunkt in den langwierigen Verhandlungen - ursprünglich hatte die IG Metall hier 1800 Euro gefordert. Die Einigung sieht nun aber vor, dass alle Beschäftigten ab 2020 eine zusätzliche tarifliche Vergütung in Höhe von 1000 Euro bekommen, die jeweils zum 31. Juli ausgezahlt wird.

Statt für Geld können sich die Beschäftigten auch für Freizeit entscheiden, dann sinkt der Extra-Geldbetrag. Die Arbeitgeber hatten moniert, dass es durch diesen möglichen zusätzlichen Anspruch auf freie Tage zu personellen Engpässen kommen könnte in den Stahlwerken.

Lösung des Streitthemas: Die Möglichkeit auf freie Tage orientiert sich am Gesamtvolumen der Anträge. Wollen mehr als 80 Prozent lieber Freizeit statt Extrageld, können sie nur je einen freien Tag bekommen. Ist das Interesse hingegen gering und der Wert liegt bei unter 20 Prozent, können fünf zusätzliche freie Tage genommen werden. Dazwischen gibt es Abstufungen.

Beide Seiten werteten die Einigung als schwierigen, aber vertretbaren Kompromiss. "Wir haben in den letzten drei Monaten und auch in den letzten 16 Stunden hart miteinander gerungen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen", betonte IG Metall-Verhandlungsführer Knut Giesler. Er wertete besonders die Möglichkeit zu mehr Freizeit positiv. "Damit tragen wir dem Wunsch der Beschäftigten nach mehr Selbstbestimmung, Entlastung und mehr Freiräumen für das Private Rechnung."

Die Arbeitgeber wiesen darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage in der deutschen Stahlindustrie angespannt sei. "Diese Tarifrunde war außergewöhnlich komplex und wurde dementsprechend intensiv geführt", sagte der Vorsitzende des Arbeitgeberverandes Stahl, Andreas Goss. "Insbesondere die Forderung nach einem in Freizeit umwandelbaren Zusatzentgelt hat uns vor eine Zerreißprobe gestellt."

Ursprünglich hatte die IG Metall für die Stahlkocher in NRW, Niedersachsen und Bremen sechs Prozent mehr Geld gefordert. Die Arbeitgeber hatten eine Erhöhung von 2,5 Prozent bei einer Laufzeit von 27 Monaten angeboten. Beide Seiten bewegten sich also erheblich beim Abschluss des Tarifvertrags.

Insgesamt hat Deutschlands Stahlbranche noch knapp 100 000 Mitarbeiter, von denen circa drei Viertel in der Kernregion - dem Nordwesten - tätig sind. Wichtige Firmen sind hier Thyssenkrupp, Salzgitter, Arcelor Mittal und die DEW, das Kürzel für Deutsche Edelstahlwerke. Weitere Standorte, für die der nun abgeschlossenen Tarifvertrag nicht gilt, sind im Saarland, Baden-Württemberg und in Ostdeutschland./hff/wdw/DP/he