DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Der kriselnde Industriekonzern Thyssenkrupp steht im Zentrum von Übernahmespekulationen. Im Mittelpunkt sind dabei zwei Bereiche: Die Aufzüge und der Stahl. Erstere will Konzernchef Guido Kerkhoff zumindest teilweise versilbern, um Geld in die chronisch leere Kasse zu bekommen. Die Stahlsparte als altes neues Kerngeschäft soll dagegen durch Zukäufe gestärkt werden. Der Konzern befindet sich derzeit in einer großangelegten Neuausrichtung, nachdem die EU-Kommission die Fusion seines Stahlgeschäfts mit dem europäischen Teil von Tata Steel im Juni untersagt hatte.

Zuletzt wurden die Spekulationen um das "Wie" des eingeschlagenen Weges wieder lauter. So berichtete das "Handelsblatt" am Freitag unter Berufung auf Konzernkreise, es gebe Gespräche mit dem Stahlhändler Klöckner & Co über eine Übernahme durch Thyssenkrupp. "Das Vorhaben ist sehr konkret und hat gute Chancen, umgesetzt zu werden", heißt es im Umfeld der Verhandlungen laut dem Bericht. 800 Millionen Euro müsste Thyssenkrupp wohl für eine Übernahme berappen. Das Geld soll durch Verkäufe eingenommen werden. Spekulationen um eine Zusammenführung der beiden Stahlhandelsgeschäfte existieren dabei in verschiedener Form schon länger. Die Firmen lehnten dem Bericht zufolge einen Kommentar dazu ab.

Zudem könnte auch der deutsche Konkurrent Salzgitter auf den Radar von Thyssenkrupp gelangen, so die Wirtschaftszeitung. Die Vorteile seien immens, mit Einsparungen im mittleren dreistelligen Millionen-Euro Bereich, zitiert das Blatt Branchenkreise. Absehbar sei, so die Zeitung, dass sich die Führung von Thyssenkrupp mit der Idee beschäftigen dürfte. Letztlich gehe daran kein Weg vorbei, so eine "hochrangige Führungskraft" in dem Bericht. "Wenn wir den Schritt nicht endlich gehen, werden uns die Chinesen und Osteuropäer den Markt abnehmen und uns letztlich schlucken."

Der Stahlmarkt leidet weltweit unter einer geringen Nachfrage, Überkapazitäten und niedrigen Preisen. Kerkhoff hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass eine Konsolidierung in der Industrie notwendig sei, und dass er solche Optionen auch für seine Geschäfte prüft. Wie die Strategie der Stahlsparte künftig im Details aussehen soll, will das Management früheren Aussagen zufolge bis zum Ende des Kalenderjahres verkünden.

Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aus der vergangenen Woche gibt es auch in der Politik Ideen, die beiden Wettbewerber zu einem "nationalen Champion" zu vereinen. Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann hatte sich dazu im Gespräch mit der Zeitung zurückhaltend gezeigt. Salzgitter sei "nicht doktrinär" festgelegt und würde sich keinen Kooperationen verweigern, sagte er. Zwar habe er "bis heute" noch kein Konzept zu einer Stahlfusion gesehen, das eine für den Konzern "erkennbar vorteilhafte Perspektive" gehabt hätte. Er könne und wolle jedoch nicht ausschließen, "dass es das eines Tages doch geben könnte".

Die Aktie von Thyssenkrupp trieb dies am Freitagmorgen weiter an. Das in den vergangenen Monaten stark gebeutelte Papier stieg zu Handelsbeginn um weitere 2,5 Prozent. Bereits am Vortag war der Kurs um mehr als 5 Prozent geklettert - angetrieben von der Hoffnung, dass Thyssenkrupp seine Aufzugsparte zu Geld machen kann. So berichtete das "Manager Magazin" von einem großen Interesse gleich einer ganzen Reihe von namhaften Finanzinvestoren. Damit setzt Thyssenkrupp die Erholung fort und kommt in der Woche auf ein Plus von bislang 13 Prozent. Klöckner & Co legen 17,7 Prozent zu, Salzgitter 3,4 Prozent.

Das "HB" schreibt derweil, dass Thyssenkrupp überlege, einen Minderheitsanteil seiner Aufzugsparte an Finanzinvestoren zu verkaufen. Das Unternehmen fährt bei der geplanten Abspaltung seines Aufzuggeschäfts bekanntermaßen zweigleisig: Als primäre Option wünscht sich Kerkhoff zwar einen Börsengang. Damit würde Thyssenkrupp nicht nur Geld durch den Verkauf von Aktien hereinbekommen, sondern könnte auch von künftigen Wertsteigerungen und Dividenden profitieren. Gleichzeitig hat das Management aber auch eine Reihe von Interessensbekundungen auf dem Tisch, sowohl von Finanzinvestoren als auch Wettbewerbern, die ebenfalls geprüft werden.

Ein Gang aufs Parkett dürfte jedoch im aktuellen schwankungsanfälligen Börsenumfeld sowie einer sich abschwächenden Konjunktur nur sehr schwierig durchzuziehen sein. Vom "Handelsblatt" zitierte Beobachter halten dies sogar für "so gut wie unmöglich". Ein Verkauf an einen Konkurrenten gilt als wettbewerbsrechtlich schwierig, die europäischen Wettbewerbshüter dürften eine wie auch immer geartete Transaktion vertieft prüfen, was erneut einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen dürfte. Zeit die Thyssenkrupp nicht hat.

Zudem ist der Konzern nach dem EU-Verbot der Stahlfusion mit dem europäischen Konkurrenten Tata Steel ein gebranntes Kind. Gegen die Untersagung der Fusion hat der Konzern am Vortag Klage eingereicht und misst dieser eine grundsätzliche Bedeutung zu - auch für zukünftige Transaktionen.

Das "Handelsblatt" berichtet nun, ein Verkauf eines Anteils der Aufzugsparte an Finanzinvestoren könnte eine realistische Alternative sein. In einem ersten Schritt könnten ein oder mehrere Investoren eine Minderheit übernehmen, die diese dann bei einem Börsengang in einem besseren Wirtschaftsumfeld wieder verkaufen könnten. Thyssenkrupp könnte so schnell Kapital bekommen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Konzernkreise. Der Wert der als Kronjuwel geltenden Sparte wird auf etwa 14 Milliarden Euro geschätzt und damit mehr als doppelt so hoch wie der ganze Konzern.

Ein ähnliches Modell hat die RAG Stiftung mit dem Spezialchemiekonzern Evonik während der Finanzkrise 2008 durchexerziert. Die Ruhr-Stiftung, die die Ewigkeitslasten des Steinkohlebergbaus schultert, verkaufte ein Viertel an Evonik an den Finanzinvestor CVC anstelle eines geplanten Börsengangs, der nach mehreren erfolglosen Anläufen schließlich 2013 erfolgte. Rund drei Jahre später stieg CVC mit Gewinn aus./nas/knd/jha/