Der frühere Firmenpatriarch habe Automobilgeschichte geschrieben – als leidenschaftlicher Manager, genialer Ingenieur und als visionärer Unternehmer, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. "Unser Unternehmen und seine Menschen haben Professor Piech unendlich viel zu verdanken." Der Porsche-Enkel Piech war am Sonntagabend im Alter von 82 Jahren gestorben. An mehreren VW-Werken, darunter am Stammsitz in Wolfsburg und in Dresden, wurden die Fahnen auf Halbmast gesetzt.

VW-Chef Herbert Diess hob Piechs Rolle beim Aufbau des Konzerns zu einem weltumspannenden Unternehmen mit heute mehr als 660.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 235 Milliarden Euro hervor: "Ferdinand Piëch war mutig, unternehmerisch konsequent und technisch brillant."

Piechs Witwe Ursula erklärte, ihr Mann sei "plötzlich und unerwartet" verstorben. Das "Oberbayerische Volksblatt" berichtete online, Piech sei nach einem Termin in Oberbayern in einem Edel-Restaurant in Aschau im Chiemgau eingekehrt. Dort sei er plötzlich zusammengebrochen und wenig später in einem Rosenheimer Krankenhaus verstorben.

Piech hat Volkswagen über zwei Jahrzehnte erst als Vorstands- und dann als Aufsichtsratschef geprägt. 2015 zog sich der gebürtige Österreicher von allen Ämtern in dem Riesenkonzern zurück und verkaufte seine Anteile weitgehend - nachdem er zuvor einen Machtkampf mit dem damaligen VW-Chef Martin Winterkorn verloren hatte. Winterkorn dankte Piech für seine Unterstützung, Piechs visionäre Kraft und seine großen Fähigkeiten als Ingenieur hätten ihn über viele Jahre geprägt. "Die gemeinsame Arbeit mit Ferdinand Piëch war stets freundschaftlich und inspirierend", teilte Winterkorn mit.

"NICHT IMMER EINER MEINUNG"

Auch der VW-Betriebsrat lobte Piech als großen Manager, kehrte aber Meinungsunterschiede nicht unter den Tisch. "Wir waren nicht immer in allen Fragen einer Meinung mit unserem früheren Vorstandsvorsitzenden und Aufsichtsratsvorsitzenden. Aber wir blicken mit Respekt und Achtung auf sein großes Lebenswerk", erklärte Gesamtbetriebsratschef Bernd Osterloh. Piëch habe die Erfolgsgeschichte von Volkswagen entscheidend geprägt. Die Arbeitnehmervertretung hatte bei Piechs Versuch, Winterkorn aus dem Amt zu drängen, mit dafür gesorgt, dass sich er sich als Aufsichtsratschef nicht länger halten konnte.

Osterloh erinnerte aber auch daran, dass Piech 1993 zu einem Zeitpunkt an die Konzernspitze trat, als Volkswagen praktisch ein Sanierungsfall war. Mit der Einführung der Vier-Tage-Woche wurden damals 30.000 Arbeitsplätze in Wolfsburg gerettet. Danach führte Piech den Konzern auf Augenhöhe an die Konkurrenten Toyota und General Motors heran.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, mit Piech sei einer der großen Unternehmer in der Geschichte der Bundesrepublik gestorben. "Dass die langjährige gute Zusammenarbeit mit dem Land Niedersachsen im Jahr 2015 unter schwierigen Bedingungen beendet werden musste, habe ich sehr bedauert." Der Dank für Piechs Leistung und der Respekt blieben davon unberührt.

Analysten und Automanager reihten sich ein: "Ferdinand Piëch war einer der erfolgreichsten Automobilunternehmer aller Zeiten", schrieb Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI. Piech sei sicherlich kontroverser als manch anderer Spitzenmananger heutzutage gewesen. Dafür habe Piech Volkswagen jedoch zu außergewöhnlichen Erfolgen geführt und "keine Ausreden für ein Scheitern akzeptiert". "Piech wird als Automobillegende in die Geschichte eingehen, in die gleiche Klasse wie Gottlieb Daimler, Henry Ford und Kiichiro Toyoda", schrieben die Analysten von Bernstein.

PORSCHE-ENKEL UND MACHTMENSCH

Der gelernte Maschinenbauer Piech startete seine Karriere im Alter von 26 Jahren bei Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen. Seinen Ruf als Konstrukteur erwarb sich der Enkel des "Käfer"-Konstrukteurs Ferdinand Porsche bei Audi in Ingolstadt. 1988 rückte Piech an die Spitze der VW-Tochter, die er zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten von BMW und Mercedes machte. Von 1993 bis 2002 führte er schließlich Volkswagen als Vorstandschef und leitete im Wolfsburger Konzern anschließend bis 2015 den Aufsichtsrat. Unter seiner Ägide verleibte sich VW Porsche ein - nachdem der Sportwagenbauer zuvor mit seinem eigenen Versuch gescheitert war, VW zu übernehmen.

In Erinnerung bleibt aber auch die Führungskultur, die Piech bei Volkswagen prägte. Er führte den Konzern mit eiserner Hand und duldete kaum Widerspruch. Dieser Managementstil, den sein Nachfolger Winterkorn später übernahm, wird mit verantwortlich für den Dieselskandal gemacht, bei dem Ingenieure Abgaswerte aus Angst lieber manipulierten, anstatt einzugestehen, dass die Vorgaben der Konzernführung nicht zu erfüllen waren. Winterkorns Nachfolger Matthias Müller beendete die zentralistische Führung in Wolfsburg und leitete die Aufarbeitung des Dieseldesasters ein, die Volkswagen bisher 30 Milliarden Euro gekostet hat. Seit gut einem Jahr steht nun der frühere BMW-Manager Herbert Diess an der Spitze des weltgrößten Autokonzerns. Er soll den Dieselskandal vergessen machen und den Konzern ins Zeitalter der Elektromobilität führen.