Während die Konkurrenten Daimler und BMW mit Verlusten zu kämpfen haben und auch Zulieferer wegen der schwachen Autokonjunktur reihenweise ihre Prognosen einstampfen, steigerten die Wolfsburger den Betriebsgewinn in den ersten sechs Monaten um zehn Prozent auf knapp neun Milliarden Euro. Im Gegensatz zu anderen bekräftigte das Management um Konzernchef Herbert Diess den Ausblick. Einige Analysten glauben sogar, dass in diesem Jahr durchaus mehr drin ist: "Volkswagen könnte im Gesamtjahr 2019 neue Rekorde bei Absatz, Umsatz und operativem Ergebnis einfahren", sagte Frank Schwope von der NordLB.

Finanzchef Frank Witter trat mit Verweis auf die weltweit sinkende Pkw-Nachfrage auf die Euphoriebremse. "Es gibt keinen Grund, die Prognose zu erhöhen", sagte er in einer Telefonkonferenz. Der Manager sieht vor allem Risiken durch den immer noch nicht geklärten Austritt Großbritanniens aus der EU und den Handelsstreit zwischen den USA und China. Auch deshalb hielt sich die Begeisterung an der Börse in Grenzen - die VW-Aktie hob in einem stabilen Umfeld nicht ab.

Volkswagen profitiert derzeit vom SUV-Boom, an denen sich mehr verdienen lässt als an herkömmlichen Pkw. Deshalb stiegen die Erlöse in der ersten Jahreshälfte, obwohl die Auslieferungen sanken. Der Konzernumsatz kletterte um knapp fünf Prozent auf 125 Milliarden Euro, während weltweit 2,8 Prozent weniger Fahrzeuge zu den Kunden rollten. Damit lag das Umsatzwachstum in der Größenordnung, die sich Volkswagen auch für das Gesamtjahr vorgenommen hat. Bei der Rendite konnte lediglich der französische Rivale PSA mithalten. Während die Marge bei VW zur Jahresmitte bei 7,2 (6,8) Prozent lag, glänzten die Franzosen mit 8,7 Prozent.

Nur so können die Hersteller die hohen Investitionen in die Elektromobilität und selbstfahrende Autos stemmen, mit denen sie den US-Konzern Tesla in Schach halten wollen. Während die Einnahmen bei VW und der französische Opel-Mutter Peugeot sprudeln, kann der Elektroautobauer von der amerikanischen Westküste sein Wachstum kaum finanzieren und schreibt rote Zahlen. Das will Konzernchef Elon Musk im laufenden Jahr allerdings ändern.

Ins ansonsten trübe Bild passt auch Nissan: Der nach Toyota zweitgrößte japanische Autobauer ist seit dem Skandal um den einstigen Konzernboss Carlos Ghosn angeschlagen und will sich nun mit dem Abbau von Tausenden Jobs aus der Krise sparen. [L8N24Q3UQ]

"FAST DOPPELT SO VIEL WIE DAIMLER UND BMW ZUSAMMEN"

Analysten beeindruckt vor allem der enorme Mittelzufluss, den die Niedersachsen dank ihrer Größe erwirtschaften: Der Konzern hat im ersten Halbjahr im Autogeschäft einen Netto-Cashflow von 6,9 Milliarden Euro eingefahren - "Das ist fast doppelt so viel wie Daimler und BMW zusammen voraussichtlich im gesamten Jahr 2019 auf die Waage bringen werden", schätzt Arndt Ellinghorst von Investmentberater Evercore ISI. VW sei momentan der einzige Autohersteller, der den Ausblick hätte erhöhen können. "Es ist immer wieder erstaunlich, was VW in einem solchen Umfeld schafft!!", schrieb Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler an Reuters. NordLB-Analyst Schwope sagte, Volkswagen könne selbst weitere Belastungen durch den Dieselskandal wegstecken: "Das ist ja das Verrückte, man hat 30 Milliarden in den USA gelassen, aber eine Milliarde Strafen mehr oder weniger tut trotzdem nicht weh." Schwope rechnet mit einem starken zweiten Halbjahr. Volkswagen hatte erst zu Jahresanfang knapp eine Milliarde Euro zur Seite gelegt - teils für eine Geldbuße, die Porsche im Zusammenhang mit dem Dieselskandal aufgebrummt wurde, teils als Rückstellung für Rechtsrisiken und Anwaltskosten.

Volkswagen schöpft seine Kraft aus seinen zwölf Pkw- und Lkw-Marken, mit denen der Konzern Nachfrageschwankungen rund um den Globus wettmachen kann. Stärkere Marken gleichen in diesem System vorübergehende Schwächen von anderen aus. Hinzu kommt, dass die Kosten ständig sinken, weil das Baukastenprinzip auf immer mehr Fahrzeuge ausgeweitet wird. Das gleiche Prinzip wendet Volkswagen nun bei Elektroautos an, von denen in den nächsten Jahren Millionen auf die Straße rollen sollen.

Die Wolfsburger investieren derzeit massiv in die E-Mobilität, um die schärferen Umweltvorgaben zu erfüllen. Bis 2023 fließen 44 Milliarden Euro in neue batteriebetriebene Wagen, selbstfahrende Autos, Mobilitätsdienste und den Umbau der Werke. In einer ersten Welle sollen 27 verschiedene E-Modelle auf die Straße kommen, bis 2028 sollen es fast 70 Modelle sein. Den Anfang macht der ID.3, der im Herbst auf der Automesse IAA in Frankfurt präsentiert werden und nächsten Jahr auf den Markt kommen soll.

Um die Kosten für die neuen Trends der Automobilindustrie zu senken, hat Volkswagen jüngst seine Allianz mit Ford ausgeweitet. Die Wolfsburger beteiligen sich an deren Tochter Argo AI für Roboterautos und bringen ihre eigene Aktivitäten ein. Im Gegenzug kaufen die Amerikaner in großem Stil Elektroauto-Komponenten aus dem Baukastensystem von Volkswagen ein. Auch das soll dafür sorgen, dass die Einnahmen sprudeln.