(neu: Aussagen zu Dauer des Max-Flugverbots, Boeing-Entschädigung, Condor-Zukunft, Gewinnziel-Einordnung, aktualisierter Aktienkurs)

HANNOVER (dpa-AFX) - Das Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet 737 Max hat dem weltgrößten Reisekonzern Tui den Gewinn verhagelt. Vorstandschef Fritz Joussen richtet sich bereits auf weitere Belastungen ein für den Fall, dass die Maschinen noch bis nächsten Sommer am Boden bleiben müssen. Doch auch ohne diesen Posten fielen seine Gewinnpläne für das neue Jahr eher verhalten aus. Wer gedacht hatte, dass die Pleite des Rivalen Thomas Cook (Neckermann Reisen) die Gewinne bei Tui durch die Decke schießen lässt, wurde enttäuscht. Zudem sollen sich die Aktionäre mit weniger Dividende begnügen.

An der Börse lösten die Nachrichten eine Berg- und Talfahrt aus. Nach Bekanntgabe der neuen Dividendenpolitik sackte der Kurs der Tui-Aktie an der Londoner Börse vorübergehend um fast sechs Prozent ab. Nach Bekanntgabe der Jahreszahlen und der Gewinnprognose am Mittag sprang er anschließend um mehr als drei Prozent ins Plus und lag zuletzt wieder mit gut einem Prozent im Minus bei 932,20 Pence.

Dabei hatte der Konzern zum abgelaufenen Geschäftsjahr nach den bereits bekannten Auswirkungen des Flugverbots keine großen Überraschungen zu vermelden. Während Thomas Cook unter der Last seiner hohen Schulden und der Dauer-Verunsicherung der britischen Urlauber durch die Brexit-Wirren zum Saisonende zusammenbrach, hielt sich Tui wacker in den schwarzen Zahlen.

Allerdings berichtete auch die Tui-Führung von einem Trend zu Last-Minute-Buchungen, der bei den Veranstaltern meist zulasten der Gewinnspannen geht. Zudem hielt ein Überangebot vor allem bei Flügen nach Spanien die Ticketpreise niedrig.

Unterdessen stützten vor allem die konzerneigenen Hotels und Kreuzfahrtschiffe das Geschäft. Im abgelaufenen Geschäftsjahr bis Ende September steigerte Tui den Umsatz um 2,5 Prozent auf 18,9 Milliarden Euro, wie das Unternehmen in Hannover mitteilte. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (bereinigtes Ebita) sackte um 22 Prozent auf 893 Millionen Euro ab. Der auf die Aktionäre entfallende Überschuss brach um rund 43 Prozent auf 416 Millionen Euro ein.

Der Rückgang entsprach ziemlich genau den Belastungen, die der Konzern infolge des Flugverbots für die 737-Max-Jets zu schultern hatte. Die Miete von älteren Ersatzmaschinen samt Besatzungen und ein höherer Treibstoffverbrauch kostete letztlich 293 Millionen Euro.

Die Airlines des Tui-Konzerns haben 15 Maschinen der 737-Max-Reihe in der Flotte und sollten bereits in diesem Jahr noch weitere erhalten. Doch nach zwei tödlichen Abstürzen bei anderen Airlines in Indonesien und Äthiopien müssen die Maschinen der Reihe seit März weltweit am Boden bleiben. Auch die Auslieferungen sind gestoppt. Die Wiederzulassung zieht sich bis ins Jahr 2020 hin, wie FAA-Chef Stephen Dickinson am Mittwoch dem US-Sender CNBC sagte.

Joussen stellt sich daher auf weitere Belastungen ein. In seine Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2019/2020 hat er Kosten von 130 Millionen Euro für den Fall eingeplant, dass die 737-Max-Maschinen bis Ende April wieder abheben dürfen. "Das ist realistisch", sagte er in einer Telefonkonferenz. Sollte das Flugverbot über die kommende Sommersaison anhalten, erwartet er zusätzliche Kosten von 220 bis 270 Millionen Euro.

Im "realistischen" Fall, dass die Maschinen bis April wieder starten können, soll der operative Gewinn, den Tui ohne Änderungen an den Zahlen ab sofort "bereinigtes Ebit" nennt, etwa 950 Millionen bis 1,05 Milliarden Euro erreichen. Rechnet man die 737-Max-Belastung in beiden Jahren heraus, müsste der Reisekonzern allerdings das obere Ende seiner Zielvorgabe erreichen, um das Niveau des vergangenen Jahres überhaupt in etwa zu halten.

Dabei spricht der Konzern bereits seit Monaten mit Boeing über einen finanziellen Ausgleich. "Es ist eine interessante Diskussion", sagte Joussen nun, wollte sich aber nicht zu möglichen Summen äußern. Entschädigungen hat er in seine Prognosen nicht eingerechnet.

Unterdessen müssen die Tui-Aktionäre künftig mit deutlich geringeren Dividenden rechnen. Für das abgelaufene Geschäftsjahr will Tui je Aktie 54 Cent ausschütten und damit 18 Cent weniger als ein Jahr zuvor. Für die kommenden Jahre ändert das Unternehmen zudem seine Dividendenpolitik, die voraussichtlich "zu geringeren Ausschüttungen" führt, wie das Management einräumte. Joussen begründete den Schritt damit, dass der Konzern finanziellen Freiraum für den Ausbau seines Digitalgeschäfts und Investitionen in Hotels benötige.

Künftig sollen deshalb 30 bis 40 Prozent des bereinigten Nettogewinns an die Anteilseigner fließen. Allerdings soll die Dividende nie unter 35 Cent je Aktie fallen. Bisher hatte sich der Konzern bei der Ausschüttung am bereinigten Ebita orientiert.

Von der Thomas-Cook-Pleite will Tui profitieren und hat sich bereits zusätzliche Hotelkapazitäten für nächsten Sommer gesichert. Die deutsche Flugtochter Tuifly soll ab nächstem Winter eigene Langstreckenverbindungen zu Urlaubszielen anbieten. Dieses Geschäft wird hierzulande von der Thomas-Cook-Tochter Condor dominiert.

Der deutsche Ferienflieger hat die Insolvenz seines Mutterkonzerns dank eines staatlichen Rettungskredits bisher überstanden und sucht derzeit nach einem neuen Eigentümer. Joussen wollte nicht ausschließen, dass Tui dabei doch mitmischen könnte: "Ich schließe nie etwas aus. Ich bin ein aktiver Beobachter." Nach der Pleite von Thomas Cook Ende September hatte er noch gesagt: "Wir haben kein Interesse an Condor angemeldet."/stw/fba