Die US-Treasury veröffentlicht zeitnah die Daten zur Entwicklung des öffentlichen US-Haushalts in der Gesamtheit. Die jüngste Entwicklung verdient sich den Begriff prekär.

Vom 1. Januar 2019 bis zum 8. Oktober 2019 legte die öffentliche Neuverschuldung um 865,3 Mrd. USD auf 22.839,4 Mrd. USD zu. Damit liegen die USA nach gut drei Quartalen per 2019 bei einer Neuverschuldung von circa 4% des BIP. Das Maß an fiskalischer Stimulanz, das hier vergeben wird, ist massiv und unterstreicht den Mangel an selbsttragenden Kräften in der US-Konjunktur.

Vor diesem Hintergrund sind die Einlassungen der Federal Reserve über die Stabilität der US-Wirtschaft ambitioniert. Ohne die aggressiven Haushaltsdefizite, die in wesentlichen Teilen Subventionscharakter für den Konsum haben (letzte Steuersenkung Trump), stünde das US-BIP Wachstum wo?

Der Blick der Fed, der Politik und der Märkte geht auf quantitative Output-Größen, ohne die quantitativen Input-Größen zu berücksichtigen. Die Input-Größe sagt aber etwas über die Qualität und damit die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit aus. Märkte können das! Analysten untersuchen ob dieser Merkmale Unternehmen oder die Eurozone, aber bei den USA schaut man vornehm weg. „Chapeau!“

Diese Asymmetrie der nicht ausreichend stattfindenden qualitativen Bewertung der USA war eine primäre Ursache für die US-Krise per 2008. „Food for thought!“

Nur spielten die USA 2008 noch eine völlig andere Rolle. Ihr Anteil an der Weltwirtschaft war deutlich höher als heute. Sie haben nicht losgelöst von Verträgen und internationalen Normen Handelskonflikte nach Gutsherrenart vom Zaun gebrochen. Damals waren die aufstrebenden Länder noch abhängiger vom Westen. In den letzten 10 Jahren haben sich dort die Dienstleistungssektoren positiv entwickelt. Damit sind Abhängigkeiten reduziert. Auch hat der Handel zwischen den aufstrebenden Ländern untereinander deutlich an Fahrt gewonnen. Auch das macht diese Länder von dem Westen und den USA unabhängiger. Immer größere Teile ihres Handels wickeln sie unter Ausschluss des USD ab. Die technologische Abhängigkeit vom Westen ist nachhaltig reduziert. Die eigenen Strukturen mit AIIB (Alternative zur Weltbank) und der New Development Bank (Alternative zum IWF) als auch dem internationalen Zahlungssystem CIPS (Alternative zu SWIFT) arbeiten längst.

Der Motor der Weltwirtschaft sind nicht mehr die USA. Es ist der euroasiatische Raum, der von investivem Strukturaufbau (folgende ökonomische Sekundär- und Tertiäreffekte) geprägt ist (BIP Wachstum um 4,5%).

Die Länder, die nicht den westlichen Industrienationen zuzurechnen sind, haben heute einen Anteil von 65% an der Weltwirtschaft und stellen 88% der Weltbevölkerung.

Der Westen dominiert noch das Feld der entscheidenden Organigramme an den Finanzmärkten und bestimmt Narrative.

Der Aufbau alternativer Strukturen in den aufstrebenden Ländern steckt noch in den Kinderschuhen. Je stärker westliche Macht in diesem Sektor missbraucht wird, desto schneller werden diese Strukturen aus ihren Kinderschuhen herauswachsen.

Wie lange werden es die Verantwortlichen in den aufstrebenden Ländern akzeptieren, dass die USA sich das Recht auf eine latente Bevorzugung geben, obwohl sie sich nicht an Regeln, an Verträge und die UN-Charta halten?

Spielen die USA damit nicht mit dem Vertrauen? Ist Vertrauensverlust als wirtschaftlicher und politischer Raum in einer global vernetzten Welt mit kurzfristigen Lieferketten eigentlich hilfreich, um Investitionen in dieses Land zu locken oder verbietet es sich förmlich, diesen Standort vor diesem Hintergrund als zukunftsträchtig zu klassifizieren? Was heißt das für die USA und den USD perspektivisch?

Fazit:

Gutmütige Hegemonialstaaten, die nicht nur ihr Eigeninteresse leben, sondern den Zusammenhang des eigenen Wohls in der Abhängigkeit der Gemeinschaft begreifen, haben eine längere Zukunft als das entgegen gesetzte Pendant.

 

Erwartungsgemäß nahm der Offenmarktausschuss der Fed diese Themen im Rahmen einer qualitativen Bewertung nicht auf, wir wären auch verwundert hinsichtlich des Trackrecords der Federal Reserve (u.a. Greenspans neue Paradigmen).

Im Offenmarktausschuss herrscht Uneinigkeit über den Pfad der weiteren Zinspolitik. Die Ansichten über die Wirtschaftsaussichten sind divergent. Steigende Rezessionsrisiken, Risiken aus dem Handelskonflikt mit Peking und weitere Unwägbarkeiten wären aber nicht so dominierend, dass sie den Aufschwung in den USA beenden könnten. Zudem sei man sich einig, zeitnah eine Ausweitung der Bilanz ins Auge zu fassen.

Wir nehmen die Einlassungen zur Kenntnis und erwarten reichlich Zinssenkungen.

 

Datenpotpourri:

 

Eurozone:     Zumeist erfrischend                 

Finnland:

Die Industrieproduktion stieg per August im Jahresvergleich um 4,4% nach zuvor 5,0% (revidiert von 3,8%).

Niederlande:

Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe legte per August im Monatsvergleich um 0,9% nach zuvor 0,6% (revidiert von 0,5%) zu.

Deutschland:

Per Berichtsmonat August sanken die Exporte im Monatsvergleich um 1,8% (Prognose -1,0%) nach zuvor +0,8% (revidiert von 0,7%). Importe legten um 0,5% (Prognose -0,2%) nach zuvor -2,4% (revidiert von -1,5%) zu. Der Saldo der Bilanz stellte sich auf 18,1 nach 20,5 Mrd. Euro.

 

USA:      Weniger erfrischend

Der Lagerbestand wuchs per August im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose 0,4%). Der Absatz war im Monatsvergleich unverändert (Prognose +0,2%) nach zuvor +0,2% (revidiert von 0,3%).

Der Arbeitsmarkt schwächt sich ab. Der JOLTS Job Opening Report lieferte per August das schwächste Ergebnis seit März 2018.

 

Japan:     Durchwachsen

Der Reuters Tankan Index stieg per Oktober von -7 auf -5 Punkte.

Die Erzeugerpreise fielen per September im Jahresvergleich um 1,1% (Prognose -1,2%) nach -0,9% Im Monatsvergleich waren sie unverändert (Prognose -0,1%) nach -0,3%.

„Machinery Orders“ sanken per August im Monatsvergleich um 2,4% (Prognose -2,5%) nach zuvor -6,6%. Im Jahresverglich kam es zu einem Rückgang um 14,5% (Prognose -10,8%) nach zuvor +0,3%.

 

 

Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den USD gegenüber dem Euro favorisiert. Ein Überwinden der Widerstandszone bei 1.1160 – 80 negiert den positiven Bias des USD.                                                                                                                        

Viel Erfolg!

 

Gastbeitrag von Folker Hellmeyer, Chefanalyst SOLVECON INVEST


www.solvecon-invest.de

Herr Hellmeyer hat am Finanzmarkt ursprünglich als Devisenhändler begonnen. Für Deutsche Bank und Helaba war er in Hamburg, London und Frankfurt tätig. Von 2002 bis 2017 war Herr Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank und hat mit klaren Worten die Entwicklungen an den Börsen und im Finanzmarkt­geschehen kommentiert.