BERLIN (dpa-AFX) - Im Streit um ein Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen von Paketboten verschärft sich der Ton in der großen Koalition. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) widersprach am Montag seinem Kabinettskollegen Peter Altmaier (CDU): "Der Vorwurf, dass das eine Wachstumsbremse ist, ist einigermaßen lächerlich", sagte der Sozialdemokrat im ARD-"Morgenmagazin". Später betonte er bei einem Termin in Berlin, die Politik müsse in der Paketbranche für Ordnung sorgen. "Daran muss jeder in der Bundesregierung Interesse haben, der Finanzminister, der Arbeitsminister und auch der Wirtschaftsminister."

Heil will die großen Paketdienste verpflichten, Sozialabgaben für ihre Subunternehmer nachzuzahlen, wenn diese beim Mindestlohn betrügen. Es sei schlicht nicht zu tolerieren, dass "mit Subsubsubunternehmer-Konstruktionen" Recht und Gesetz umgangen würden. Zollkontrollen zeigten, dass jeder sechste Arbeitsplatz in der Branche mindestens fragwürdig sei. Einige Firmen verwechselten Digitalisierung mit Ausbeutung.

Die Paketbranche wachse wegen des zunehmenden Onlinehandels stark, heißt es in Heils Gesetzentwurf. Einige Paketdienste arbeiteten nicht mit fest angestellten Zustellern, sondern fast ausschließlich mit Subunternehmern, die für ihre häufig ausländischen Fahrer oft keine Sozialbeiträge zahlten.

Die Lösung soll die sogenannte Nachunternehmerhaftung sein: Damit wäre der Paketdienst dafür verantwortlich, dass seine Subunternehmer die Regeln einhalten. Altmaier hatte das abgelehnt, auch um die zuletzt schwache Konjunktur nicht mit Bürokratie zu belasten.

Dieser Vorwurf sei "nicht stichhaltig", hielt Heil entgegen. Das Gesetz sorge für fairen Wettbewerb und sei im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. In der Baubranche habe es sich bereits bewährt. Laut Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sorgte die gleiche Regelung auch in der Fleischbranche für viele neue Arbeitsplätze.

Bei der Wirtschaft kommen Heils Pläne nicht gut an. Der Staat dürfe die Überwachung der Einhaltung des Mindestlohns nicht einfach auf die Unternehmen abwälzen, warnte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter. Sie hätten kaum Möglichkeiten, Rechtsverstöße bei einem Vertragspartner auszuschließen und gingen deshalb unverhältnismäßig hohe Haftungsrisiken ein. "Wenn der Staat Kontrolldefizite bei den Sozialversicherungsbeiträgen sieht, muss er seine Kontrollen verbessern statt rechtstreuen Unternehmen neue Haftungsrisiken aufzudrücken", forderte Kampeter.

Von Grünen, Linken und Gewerkschaften bekommt Heil dagegen Rückendeckung. Es sei skandalös, dass Altmaier selbst eine solch kleine Verbesserung blockiere, erklärte der Linken-Abgeordnete Pascal Meiser. Damit mache sich der Wirtschaftsminister "zum Schutzpatron mafiöser Strukturen in der Paketbranche". DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach mahnte, zusätzlich zur Gesetzesänderung müsse der Zoll aber mehr kontrollieren.

In der Union sind die Meinungen über Heils Vorschlag geteilt. Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte, die Situation bei den Paketdiensten berühre auch CDU und CSU. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) betonte, der Bundesrat habe eine solche Gesetzesänderung auf Initiative von NRW, Niedersachsen und Bremen ebenfalls gefordert. "Ich freue mich, dass nun Bundesarbeitsminister Heil dieser Forderung nachkommen will", sagte er. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet setzt auf eine Verhandlungslösung: Das Anliegen sei berechtigt, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende am Montag in Berlin. Ob es eine Einigung mit der SPD geben werde, wisse er nicht, "das werden wir verhandeln"./tam/DP/jha