ELLWANGEN (dpa-AFX) - Der Batteriehersteller Varta hat nach seinem Höhenflug jäh merken müssen, dass Begeisterung an der Börse von kurzer Dauer sein kann. Im Dezember erst stieg das Unternehmen nach fulminanter Kursentwicklung in den MDax auf und war zum Jahresende dann auch dessen bester Wert. Doch das Blatt wendete sich - die Zukunftsaussichten sind nach Berichten über aufkommende chinesische Konkurrenz gar nicht mehr so rosig. Was beim Unternehmen los ist, was die Analysten sagen und wie die Aktie wieder deutlich nachgab.

DAS IST LOS IM UNTERNEHMEN:

Die starke Nachfrage nach wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Zellen hat Varta 2019 deutlich Schub verliehen. Die Batterien werden unter anderem für die stark nachgefragten kabellosen Kopfhörer benötigt, aber auch für das Wachstumsfeld mit Hörgeräten.

Der Markt für Varta wächst rasant, laut Unternehmensangaben jährlich um über 30 Prozent. "Wir stehen am Anfang eines großen Booms bei den Lithium-Ionen-Batterien für kabellose Kopfhörer, von dem wir am stärksten profitieren", sagte Unternehmenschef Herbert Schein im September. Varta geht für dieses Jahr von einem Marktanteil von mindestens 50 Prozent bei Batterien für schnurlose Kopfhörer aus - weltweit.

Um den steigenden Bedarf zu decken baut Varta seine Produktionskapazitäten derzeit stark aus. Bis Ende des Jahres 2021 sollen über 200 Millionen Zellen jährlich produziert werden. Bis Mitte dieses Jahres will Varta die Produktion bereits auf das Niveau von mindestens 100 Millionen Zellen jährlich hochfahren. Dafür nimmt das Unternehmen viel Geld in die Hand. Eine Kapitalerhöhung für neue Anlagen im vergangenen Jahr wurde entgegen der üblichen Börsenarithmetik sogar so positiv aufgenommen, dass der Aktienkurs stark anstieg.

Varta gehört zudem zu mehreren Unternehmen, die von einer Milliardenförderung für die europäische Batteriezellfertigung profitieren könnten. Bei Varta gehe es um die Weiterentwicklung der Lithium-Ionen-Technologie und dabei um die Entwicklung sogenannter Silizium-dominierter Anoden. Diese neue Technologie solle in die Massenproduktion überführt werden - sowohl für bestehende als auch für größere Zellenformate, die zum Beispiel für Elektroautos genutzt werden könnten.

Doch die Wachstumsstory des Unternehmens hat zuletzt einen deutlichen Kratzer bekommen. Varta fürchtet Patentverletzungen durch chinesische Nachahmer und will rechtlich gegen diese vorgehen. Hintergrund ist, dass laut Unternehmensangaben im Dezember Geräte mit Batterien chinesischer Hersteller auftauchten, die Varta-Patente verletzten. Die Aktie brach im frühen Januar auf erste Berichte hin deutlich ein.

Womöglich war die Nachfrage nach den Knopfzellen sogar so stark, dass Gerätehersteller auf fremde Imitate zurückgriffen, weil Varta nicht schnell genug liefern konnte. In diesem Jahr muss sich zeigen, ob Varta die Produktion schnell genug hochfahren kann, um Nachahmern oder ernsthaften Konkurrenten nicht zu viel vom Feld zu überlassen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Analysten sind mit den Zweifeln deutlich skeptischer geworden, was ihre Beurteilung der Aktie angeht. Drei von vier im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten empfehlen das Papier gar zum Verkauf, die Kursziele jeweils noch deutlich unter dem schon empfindlich gesunkenen aktuellen Aktienkurs.

Analyst William Mackie von Kepler Cheuvreux rechnet vorerst damit, dass die Aktie unter Druck bleibt. Den Wachstumserwartungen im Geschäft mit Lithium-Ionen-Akkus stünden negative Effekte durch Investitionen in neue Kapazitäten gegenüber.

Der Batteriehersteller habe in der Vergangenheit Vorteile als Erstanbieter nutzen und sehr hohe Margen erzielen können, schrieb Analyst Christian Sandherr von Hauck & Aufhäuser Ende Januar. Angesichts aufkommender Wettbewerber dürften sich diese aber wohl als nicht nachhaltig erweisen. Insofern erscheine die immer noch sehr hohe Bewertung der Aktien nicht gerechtfertigt.

Expertin Charlotte Friedrichs von der Berenberg Bank berücksichtigte zwar in ihren Schätzungen einen verschärften Wettbewerb. Die mittelfristigen Aussichten für den Batteriehersteller seien aber weiter attraktiv, schrieb sie im Januar.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die aufkommenden Berichte über ein Erstarken der Konkurrenz waren für die Anleger nach dem Höhenflug des vergangenen Jahres wie ein Schlag in die Magengrube. Von zuvor über 120 Euro ging es am 8. Januar im Tief bis auf unter 90 Euro bergab. Von diesem Schlag hat sie sich bisher nicht erholen können, eher ging es noch weiter bergab. Aktuell notiert die Aktie bei 78 Euro.

Vorher war die Aktie kaum zu bremsen auf ihrem Weg nach oben. Alleine 2019 ging es für die Titel um rund 390 Prozent nach oben. Kein anderer Wert in den maßgeblichen deutschen Aktienindizes von Dax bis SDax schaffte so viel Zuwachs. In diesem Jahr hingegen ist Varta allerdings klarer Verlierer im MDax mit über einem Drittel Kursverlust.

Trösten können sich Anleger, die schon länger dabei sind: Der Ausgabepreis des Papiers beim zweiten Börsengang des Konzerns im Oktober 2017 lag bei 17,50 Euro, heute ist die Aktie mehr als viermal so viel wert. Varta kommt aktuell auf einen Börsenwert von rund 3,2 Milliarden Euro. Gegenüber dem Hoch bei 128 Euro gingen somit rund 2 Milliarden Euro Börsenwert flöten. Größter Anteilseigner ist mit gut 58 Prozent die Schweizer Industriegruppe Montana Tech./men/eas/he