ASCHHEIM (awp international) - Der Zahlungsdienstleister Wirecard weckt nach einem starken ersten Halbjahr weiteren Optimismus bei seinen Anlegern. Das Management des Dax-Kandidaten strebt wegen des Shoppingbooms im Internet und Zukäufen nicht nur im laufenden Jahr mehr Gewinn an, sondern auch mehr Geschäft in den kommenden Jahren. "Wir verzeichnen ein starkes organisches Wachstum, nicht zuletzt aufgrund des sich beschleunigenden weltweiten Trends zur Digitalisierung von Zahlungsprozessen", sagte Wirecard-Chef Markus Braun am Donnerstag in Aschheim bei München.

"Die Digitalisierung steht in vielen Branchen erst ganz am Anfang", bekräftigte Braun seine Sicht auf die Chancen des Konzerns, dessen grösster Einzelaktionär er mit 7 Prozent ist. 80 bis 85 Prozent des weltweiten Zahlungsverkehrs liefen noch in bar ab, so das Unternehmen - und hier sieht es weiter grosses Potenzial, mit elektronischen und digitalen Zahlungslösungen bei Händlern zu punkten.

Auch Aktienanalysten waren voll des Lobes, die seit Jahren stark laufende Aktie zog in der Spitze um fast elf Prozent auf ein neues Rekordhoch bei 178,40 Euro an. Zuletzt lag der Kurs noch knapp 9 Prozent im Plus. Damit ist Wirecard an der Börse derzeit fast 22 Milliarden Euro wert - mehr als die Deutsche Bank , das grösste deutsche Geldhaus. Wenn die Zusammensetzung des Leitindex Dax im September überprüft wird, rechnen Experten damit, dass Wirecard in die erste Börsenliga aufsteigt und die seit der Finanzkrise teilverstaatlichte Commerzbank weichen muss.

Im laufenden Jahr rechnet das Unternehmen nun mit einem Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 530 bis 560 Millionen Euro. Seit der letzten Erhöhung im April standen 520 bis 545 Millionen Euro im Plan. Analysten hatten bereits mit Werten nahe des oberen Endes der neuen Prognosespanne gerechnet.

Gewinn und freier Bargeldzufluss seien im zweiten Quartal besser ausgefallen als erwartet, zudem lägen insbesondere die Ergebnisaussichten für 2020 überraschend hoch, schrieb Commerzbank-Analystin Heike Pauls. Für andere Experten wie Knut Woller von der Baader Bank oder Hannes Leitner von der UBS stachen vor allem die Chancen durch Neuverträge hervor. Im ersten Halbjahr hatte Wirecard viele neue Kunden gewonnen, die laut dem Unternehmen bis zu 30 Milliarden an gebührenträchtigen Zahlungen mitbringen könnten. Das ist ein knapp dreimal so grosses Neugeschäftspotenzial wie im vergangenen Jahr.

Wirecard verdient sein Geld mit Dienstleistungen rund um die Abwicklung von Zahlungen im Internet, aber auch auf sonstigen elektronischen Wegen. Das sorgt bei Börsianern für Wachstumsfantasie. Das Unternehmen arbeitet mit Händlern und anderen Finanz- und Technologiekonzernen zusammen, unter anderem mit Visa , Mastercard , Google und Apple . Wirecard selbst zählt rund 38 000 grosse und mittlere Kunden - und daneben rund 212 000 kleinere Händler.

Im ersten Halbjahr konnte das TecDax -Schwergewicht die abgewickelten Zahlungen auf der eigenen Plattform um fast die Hälfte auf 56,2 Milliarden Euro steigern - daran verdient Wirecard über einbehaltene Gebühren mit. Im Jahr 2020 erwartet der Konzern nun mehr als 215 Milliarden Euro an Zahlungen statt wie bisher 210 Milliarden. Der Umsatz soll dann auf mehr als 3 Milliarden Euro klettern, nach bisher eingeplanten 2,8 Milliarden. Vergangenes Jahr waren es 1,5 Milliarden.

Im zweiten Quartal steigerte Wirecard den Konzerngewinn um 47 Prozent auf 82,4 Millionen Euro. Eckdaten zu Umsatz und operativem Ergebnis von April bis Ende Juni hatte das Unternehmen schon vorgelegt. Der Umsatz war dank starkem Wachstum und Zukäufen um 40 Prozent auf 477 Millionen Euro geklettert, das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) fast in der gleichen Grössenordnung auf 133 Millionen Euro. Die operative Marge lag mit 27,9 Prozent knapp unter dem Wert aus dem Vorjahr. 2020 soll sie zwischen 30 und 35 Prozent liegen.

Wirecard kauft stetig neue Firmen dazu, im vergangenen Jahr waren es insbesondere Geschäfte in Nordamerika und Asien. Vom Wachstum im ersten Halbjahr kam beim Umsatz gut die Hälfte aus eigener Kraft, der Rest durch Zukäufe. In Schwellenländern setzt das Unternehmen mit rund 5000 Mitarbeitern darauf, dass mobile und elektronische Zahlungslösungen auch wegen teils nur rudimentär vorhandener Finanzsektoren in manchen Ländern besonders stark wachsen./men/zb/fba