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FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Versuchte Vertrauensbildung: Eine von Wirecard angekündigte Sonderprüfung seiner Bilanzierungspraktiken hat den Aktien des Zahlungsabwicklers am Montag zur Erholung verholfen. Die Papiere setzten sich weiter von ihrem vergangene Woche erreichten Sechsmonatstief ab und gewannen am Vormittag 7,88 Prozent auf 120,45 Euro.

So hatte erst am vergangenen Dienstag ein neuer, kritischer Bericht in der britischen Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT") einen massiven Kursrutsch um bis zu 23 Prozent auf 107,80 Euro ausgelöst. Erinnerungen wurden wach: Im Frühjahr hatte eine Artikelserie den Aktienkurs binnen gut einer Woche um fast die Hälfte auf 86 Euro abstürzen lassen. Im Zuge von Untersuchungen musste Wirecard dann einräumen, dass einige Geschäfte in Singapur falsch verbucht wurden, aber in deutlich geringerem Umfang als von der Zeitung suggeriert. Systematische Luftbuchungen schließt das Unternehmen aus.

Nach den erneuten Vorwürfen in der "FT" will die Führungsspitze von Wirecard nun eine unabhängige Untersuchung und hofft, damit alle Vorwürfe umfassend und unabhängig ausräumen zu können. Beauftragt wird die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Am Wochenende noch hatte es Verwirrung gegeben, ob sich das Unternehmen eine Sonderprüfung seiner Bücher in Auftrag gibt.

Am Markt wurde das Vorhaben des Wirecard-Managements positiv beurteilt. Unter anderem begrüßten JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande sowie sein Kollege Knut Woller von der Baader Bank diesen Schritt. Das Vertrauen der Investoren dürfte damit steigen, schrieb Deshpande. Und Woller fügte an: "Wirecard war in dieser Angelegenheit bislang in einer defensiven Position und hatte die Anschuldigungen der "FT" nur von sich gewiesen. Nun aber legt das Unternehmen den Hebel um."

Allerdings bleiben die Experten insgesamt vorerst vorsichtig. Es werde wohl einige Monate dauern, bevor die Ergebnisse von KPMG verfügbar sein werden, hieß es etwa seitens des Bankhauses Lampe. JPMorgan-Experte Deshpande schrieb, dass für eine grundsätzliche Neubewertung der Aktien vor allem einem "ein hohes Maß an Transparenz" nötig sei.

Mainfirst-Analyst Chandramouli Sriraman blies in dasselbe Horn: "Die einzig langfristige Lösung ist ein höheres Maß an Offenlegungen in den Kerngeschäftssegmenten und geographischen Standorten von Wirecard." Da dies bislang nicht gegeben ist, strich er seine Kaufempfehlung für die Papiere. Er bewertet sie nun nur noch mit "Neutral" und senkte sein Kursziel von 220 auf 150 Euro.

Damit traut er den Aktien immerhin eine deutliche Erholung zu. Mit rund 120 Euro notieren diese aktuell etwa 40 Prozent unter ihren Rekordhoch von 199 Euro, auf das sie im September 2018 im Zuge ihres Aufstiegs in den deutschen Leitindex Dax gestiegen waren./ck/men/mis

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