- von Holger Hansen und Hans Seidenstücker

Die Vorschläge von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zur Reform der Finanzaufsicht nach dem Wirecard-Skandal stoßen innerhalb der Regierung und in Reihen des Koalitionspartners auf Kritik.

"Wir brauchen deutlich schärfere Regelungen bei Wirtschaftsprüfung und Bilanzkontrolle, bei Aufsicht und Zahlungsdienstleistungen", sagte Scholz am Freitag. Dazu hat der SPD-Politiker ein Papier vorgelegt, das er einen "Aktionsplan der Bundesregierung" nennt. Tatsächlich ist dieses aber nur mit dem Justizministerium abgestimmt. In von der Union geführten Teilen der Regierung gibt es Vorbehalte. "Es gibt überhaupt keinen Grund für einen sogenannten 'Aktionsplan der Bundesregierung'", hieß es dort. Vielmehr sei es notwendig, "im Geschäftsbereich des Finanzministeriums aufzuräumen".

Mit dem am Donnerstagabend bekanntgewordenen Plan konkretisiert Scholz erstmals seine Ankündigungen zu den Konsequenzen aus dem mutmaßlichen Milliardenbetrug beim Zahlungsabwickler Wirecard. Scholz muss sich am Mittwoch in einer Sondersitzung des Finanzausschusses mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Fragen nach möglichen Versäumnissen der Bundesregierung und der Aufsichtsbehörden stellen. Die Opposition droht mit einem Untersuchungsausschuss, der sich bis ins Bundestagswahljahr 2021 ziehen würde. Scholz käme das ungelegen: Er gilt als wahrscheinlicher Kanzlerkandidat der SPD.

Das Unternehmen aus Aschheim bei München hat nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft mindestens seit 2015 seine Bilanzen gefälscht. Erst vor kurzem flog dies auf, weil für 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz Belege fehlten. Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer bemerkten davon trotz verschiedener Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten nichts.

AKTIONSPLAN SIEHT STÄRKUNG DER BAFIN VOR

Daher will Scholz die Finanzaufsicht stärken und Wirtschaftsprüfer schärfer kontrollieren. Der Reuters vorliegende Entwurf sieht für die Aufsichtsbehörde BaFin unter anderem ein Sonderprüfungsrecht und die Möglichkeit forensischer Prüfungen vor. Das zweistufige Verfahren zur Bilanzkontrolle mit einer Vorschaltung der privat-rechtlichen Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) soll abgeschafft werden. Wann das Finanzministerium Eckpunkte auf der Grundlage des Aktionsplans ins Kabinett einbringen will, ließ das Ministerium offen.

Die staatliche Aufsicht für Prüfer von Jahresabschlüssen soll dem Scholz-Plan zufolge zudem "in größerem Maße auch ohne Anlass und risikobezogen" prüfen. Alle "Unternehmen von öffentlichem Interesse" sollen verpflichtet werden, ihre Abschlussprüfer spätestens nach zehn Jahren zu wechseln. "Wir werden zudem die Trennung von Prüfung und Beratung bei diesen Unternehmen verschärfen."

Dem CSU-Finanzexperten Hans Michelbach geht das nicht weit genug. "In seinem Plan bleibt Scholz vielfach im Ungefähren", sagte er zu Reuters. "Wo er konkret wird, sind Nachbesserungen unabdingbar." Die vorgesehene Frist für eine Auswechselung der Bilanzabschlussprüfer sei mit zehn Jahren zu lang. Der Unions-Obmann im Finanzausschuss plädierte für eine Rotation von zwei bis drei Jahren bei börsennotierten Firmen. Zudem forderte er eine "glasklare Trennung" von Prüfung und Beratung.

Rückhalt erhielt Scholz aus seiner SPD. Deren Finanzexperte Lothar Binding begrüßte, dass das zweistufige Verfahren bei der Bilanzkontrolle zugunsten einer Stärkung der Aufsichtsbehörde BaFin reformiert werden soll. "Künftig darf die öffentliche Aufsicht nicht auf die Ergebnisse privatrechtlicher Organisationen warten müssen", sagte Binding zu Reuters.

Die Linke begrüßte, dass der Aktionsplan auch eine bessere Berücksichtung von Hinweisgebern vorsieht. Eine Aufrüstung der BaFin ergebe aber nur Sinn, "wenn diese auch ihre Aufsichtskultur radikal ändert", forderte ihr Finanzexperte Fabio De Masi. Der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz bescheinigte Scholz, er "legt sich bei der Fehlerkorrektur ins Zeug". Dies erwarte man auch bei der Aufklärung, "wo, warum und wie Fehler passiert sind".

Die Anwaltskanzlei Tilp verklagt derweil nun auch die BaFin auf Schadenersatz. Die Amtshaftungsklage sei beim Landgericht Frankfurt eingereicht worden. "Hätte sie ordnungsgemäß ermittelt, wäre der Bilanzbetrug am Freitag, dem 15. Februar 2019, längst öffentlich bekannt gewesen", sagte Rechtsanwalt Andreas Tilp, der wegen des Skandals bereits EY und frühere Wirecard-Vorstände verklagt hat.