ASCHHEIM/MÜNCHEN (awp international) - Der Chef des Zahlungsdienstleisters Wirecard sieht weiter keine Beeinträchtigung des Tagesgeschäfts angesichts weiterer kritischer Berichte um Bilanzierungspraktiken. "Wir sehen keine Risiken für unser Geschäft", sagte Markus Braun am Mittwoch im Interview der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. "Das operative Geschäft läuft hervorragend, wir schliessen einen grossen Deal nach dem anderen ab."

Die britische Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT") hatte am Vortag einen weiteren kritischen Artikel sowie interne Dokumente veröffentlicht und dem Konzern unsaubere Geschäftspraktiken bei der Rechnungslegung vorgeworfen. Der Aktienkurs war zeitweise um 23 Prozent eingebrochen. "Die Darstellung im Artikel ist inhaltlich substanzlos und falsch", bekräftigte Braun das Dementi des Dax-Konzerns . Braun ist mit einem Anteil von 7 Prozent der grösste Aktionär des Unternehmens.

"Alle Geschäftsbeziehungen, die in unseren Abschlüssen verbucht wurden, sind natürlich authentisch", sagte er in Bezug auf die von der "FT" aufgeworfenen Zweifel an Kundenbeziehungen. Seit geraumer Zeit veröffentlicht die Zeitung kritische Berichte rund um den deutschen Finanzkonzern mit Sitz in Aschheim bei München. Im Frühjahr hatte eine Artikelserie den Aktienkurs in gut einer Woche um fast die Hälfte abstürzen lassen. Im Zuge von Untersuchungen musste Wirecard dann einräumen, dass einige Geschäfte in Singapur falsch verbucht wurden, aber in deutlich geringerem Umfang als von der Zeitung suggeriert. Systematische Luftbuchungen schliesst das Unternehmen aus.

Der Fall beschäftigt weiter die Behörden. In Deutschland gehen Staatsanwaltschaft München und Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht unerlaubter Marktmanipulation durch Spekulanten nach, die mit schlechten Nachrichten die Aktie unter Druck bringen und daran mittels sogenannter Leerverkäufe verdienen wollen. Die Bafin verbot zeitweise sogar neue Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie. Den neuerlichen Vorfall von Dienstag untersucht die Behörde ebenfalls in Abstimmung mit der Staatsanwaltsschaft München. Für ein erneutes Verbot von Leerverkäufen sehe die Bafin aber keinen Grund, sagte eine Sprecherin.

Das Unternehmen wiederum geht rechtlich per Strafanzeige gegen Mitarbeiter der Londoner Zeitung vor, weil sie mit Spekulanten unter einer Decke stecken sollen. Die "FT" sieht sich allerdings nach eigens in Auftrag gegebenen Untersuchungen einer Anwaltskanzlei von diesen Vorwürfen entlastet. Das Unternehmen werte den Artikel des Journalisten als neuerlichen Versuch, von den Anschuldigungen abzulenken, sagte Braun.

"Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, uns auf die Weiterentwicklung unseres starken operativen Geschäfts zu konzentrieren", fügte er an. Braun vermutet hinter den kritischen Berichten das Wirken von sogenannten Shortsellern, die mittels Leerverkäufen von Aktien Geld an sinkenden Kursen verdienen wollen. "Das Interesse an schlechter Berichterstattung könnte auch mit auslaufenden Optionen zusammenhängen."

Auf längere Sicht bleibt Braun für die Anleger optimistisch. "Auf diese Art kann man Aktienkurse nicht dauerhaft unten halten, was man auch an der Entwicklung unseres Kurses über die letzten Jahre sieht", sagte er.

Im Zuge des Dax-Aufstiegs vor gut einem Jahr hatte die Wirecard-Aktie bei 199 Euro den höchsten Stand erreicht, derzeit liegt sie mit gut 122 Euro deutlich davon entfernt. Anfang 2015 hatte der Kurs noch um die 40 Euro betragen. Schon im Februar 2016 hatte ein selbsternanntes Analysehaus mit einem dubiosen Research-Bericht die Aktie deutlich einbrechen lassen. Kräftiges Wachstum bei Umsatz und Ergebnis hatte den Kurs aber vor allem ab 2017 deutlich steigen lassen. Wirecard verdient sein Geld vor allem mit der Abwicklung von Zahlungen im Internet und profitiert daher im grossen Stil vom Boom des Online-Shoppings./men/stw/he