(neu: Aktualisierte Aktienkursreaktion im 2.Absatz, Analystenstimmen im 3. bis 5. Absatz.)

ASCHHEIM/NEW YORK (dpa-AFX) - Der Zahlungsabwickler Wirecard rechnet sich wie erwartet in den nächsten Jahren mehr Umsatz und Gewinn aus. Das eigene Wachstum soll sich weiter beschleunigen, der Konzern will sich verstärkt auf Großkunden konzentrieren und auch Partnerschaften sollen helfen. Wirecard will 2025 mit über 12 Milliarden Euro rund 2 Milliarden Euro mehr Umsatz machen als bisher geplant, wie das Unternehmen am Dienstag vor einer Kapitalmarktveranstaltung in New York mitteilte. Beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sattelte Wirecard-Chef Markus Braun rund 500 Millionen Euro drauf, nun sollen es in sechs Jahren 3,8 Milliarden Euro operativer Gewinn werden.

An der Börse kam das nur anfänglich gut an, am Vormittag drehte der Kurs ins Minus und verlor zuletzt in der Dax-Schlussgruppe mehr als 3 Prozent. Braun hatte bereits vergangenen Monat angekündigt, dass die Ziele für das Jahr 2025 angepasst würden, nachdem der Tech-Konzern Softbank zuletzt seinen Einstieg über eine Wandelanleihe im Volumen von 900 Millionen Euro festgezurrt hatte.

Für JPMorgan-Analyst Sandeep Deshpande warf die angehobene Prognose Fragen rund um die Profitabilität des zusätzlichen Geschäfts auf. Die operative Gewinnmarge (Ebitda) der nun zusätzlich eingeplanten Erlöse betrage nur 25 Prozent, während Wirecard in seinem Gesamtziel für das Jahr 2025 bisher mit einer Ebitda-Marge von rund 33 Prozent kalkuliert habe.

Das Großkundengeschäft, auf das sich Wirecard vermehrt ausrichten will, habe zwar typischerweise niedrigere Gebühren vom Transaktionsvolumen zur Folge, aber eben auch viel höhere Margen durch Größenvorteile - das müsse das Management erklären. Immerhin sei die Anhebung der Mittelfristziele insgesamt bedeutsam und positiv und sollte den Aktienkurs stützen, urteilte Deshpande.

Mohammed Moawalla von Goldman Sachs und Knut Woller von der Baader Bank hoben die starken Wachstumsaussichten hervor. Die neuen Ziele verdeutlichten die Nachhaltigkeit der stark zweistelligen Wachstumraten über die längere Frist, so der Goldman-Analyst. Der Schwung des Wachstums aus eigener Kraft sei stärker als von ihm vermutet, schrieb Woller.

Das über die Wirecard-Plattform abgewickelte Transaktionsvolumen an Zahlungen soll 2025 bei über 810 Milliarden Euro liegen, statt wie bisher angepeilt bei über 710 Milliarden. Zum Vergleich: Im Jahr 2018 wickelte Wirecard Zahlungen von knapp 125 Milliarden Euro ab. Die Ziele für das laufende und das kommende Jahr beließ Wirecard unverändert, obwohl einige Analysten wie Deshpande auch für 2020 mit besseren Aussichten gerechnet hatten.

Wirecard verdient sein Geld vor allem am Boom des Onlineshoppings. Der Konzern bietet Händlern die Abwicklung von Zahlungen über das Internet und im Laden an und will vor allem davon profitieren, dass mehr und mehr Bargeldzahlungen durch elektronische Lösungen ersetzt werden. Wirecard zählte zuletzt weltweit mehr als 300 000 Händler zu seinen Kunden, der weit überwiegende Teil davon sind kleine Verkaufsstellen, die geringe Transaktionsvolumina auslösen. Lange war Wirecard vor allem durch Übernahmen in Asien schnell gewachsen. Seit einiger Zeit legt das Unternehmen aber vor allem aus eigener Kraft zu.

Zuletzt hatte Wirecard auch schon vermehrt größere Kunden an Land gezogen. Unter anderem übernimmt das Unternehmen einen Teil der Kartenzahlungen in den deutschen Aldi-Filialen. Mit dem chinesischen Kreditkartenriesen Unionpay bauen die Aschheimer ihr Geschäft in China deutlich aus.

Über die Kooperation mit dem japanischen Technologie-Konzern Softbank will Wirecard auch Kundenbeziehungen zu dessen Beteiligungsunternehmen gewinnen. Erste Erfolge konnte Wirecard präsentieren, etwa mit dem Gebrauchtwagen-Onlinehändler Auto1. Softbank gilt unter seinem Chef Masayoshi Son als einer der größten Tech-Investoren weltweit und hat Anteile an vielen bekannten Unternehmen.

Wirecard ist nicht erst seit dem Dax-Aufstieg vor gut einem Jahr an der Börse heiß gehandelt. Des öfteren geriet das Unternehmen wegen angeblich fragwürdiger Geschäftspraktiken ins Gerede, wurde dabei auch immer wieder von sogenannten Leerverkäufern mit dubiosen Vorwürfen attackiert, um mit fallenden Aktienkursen Geld zu verdienen. Anfang des Jahres sorgte ein Bericht der Wirtschaftszeitung "Financial Times" ("FT") rund um Bilanzunregelmäßigkeiten in Singapur für Unruhe, die Aktie rutschte im Zuge der Berichterstattung innerhalb einer guten Woche teils um fast die Hälfte ab. Auch heute liegt sie noch deutlich unter dem Niveau von vor dem Bekanntwerden der Bilanzprobleme, seit einigen Monaten schwankt sie mehr oder weniger um die Marke von 150 Euro.

Wirecard hatte im Frühjahr einräumen müssen, dass einige Posten bei einer Tochter tatsächlich falsch verbucht wurden, allerdings in geringerem Umfang als von der "FT" suggeriert. Einige Mitarbeiter könnten sich in Singapur strafbar gemacht haben, systematische Luft- und Falschbuchungen schließt Wirecard aber aus.

Der Fall beschäftigt weiter die Behörden. In Deutschland gehen Staatsanwaltschaft und Finanzaufsicht Bafin dem Verdacht unerlaubter Marktmanipulation durch Spekulanten nach. Das Unternehmen geht auch rechtlich gegen Mitarbeiter der britischen Zeitung vor, weil sie womöglich mit Spekulanten unter einer Decke stecken sollen. Die "FT" sieht sich allerdings nach Untersuchungen einer beauftragten Anwaltskanzlei entlastet von den Vorwürfen./men/ssc/mis