NEW YORK/LONDON (awp international) - Nach der Erholung der letzten Tage haben die Ölpreise am Dienstag im Mittagshandel nachgegeben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 34,63 US-Dollar. Das waren 18 Cent weniger als am Montag. Der Preis für ein Barrel der US-Sorte WTI fiel am Mittag um 14 Cent auf 31,51 Dollar. Am Vortag hatten die Preise für Brent und WTI erstmals seit über einem Monat die Marken von 35 beziehungsweise 30 Dollar überwunden.

Am Morgen hatte die freundliche Stimmung an den Asien-Börsen die Ölpreise noch gestützt. Zuletzt kam es an den europäischen Märkten jedoch zu Gewinnmitnahmen. Marktbeobachter warnten in diesem Zusammenhang auch vor Illusionen einer allzu raschen Erholung der Weltwirtschaft von der Corona-Krise.

Vor allem die Hoffnung auf einen möglichen Impfstoffkandidaten gegen die Lungenkrankheit Covid-19 hatte die Kurse zuvor angetrieben. Riskantere Anlageklassen wie Rohstoffe profitierten davon.

Auch Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank, sprach von "überhöhtem Optimismus". Trotz der scheinbaren Nachfrage-Erholung in China auf das Vorkrisen-Niveau bezeichnete er das Ausmass der Preiserholung am Ölmarkt als überzogen.

Angesichts der jüngsten Preiserholung zeigte sich Weinberg jedoch optimistisch für die US-Schieferölunternehmen. Deren Produktion werde nicht mehr so stark fallen wie befürchtet. Zuvor hatte die US-Energiebehörde (EIA) mitgeteilt, sie prognostiziere für Juni einen Rückgang auf den tiefsten Stand seit Ende 2018. Die amerikanischen Produzenten sind niedrigen Ölpreisen besonders betroffen, weil ihre Förderkosten vergleichsweise hoch liegen.

Neben den eher unfreiwilligen Produktionskürzungen in den USA hatten die Preise seit Anfang Mai von den vereinbarten Förderlimitierungen des Ölkartells Opec und mit ihm verbündeter Staaten profitiert. Die sogenannte Opec+ hatte umfassende Kürzungen zur Stützung der Preise beschlossen.

Trotz der auch in vielen westlichen Staaten vorangetriebenen Lockerungen im Zuge sinkender Corona-Neuinfektionszahlen bleiben die Risiken für die Erholung der Weltwirtschaft und damit der Rohölnachfrage jedoch bestehen.

Vor allem die erneut steigenden Spannungen zwischen den USA und China könnten die sich abzeichnende sachte Erholung der Nachfrage belasten. Daneben bleibt das Risiko weiterer Corona-Infektionswellen.

Der heutige Dienstag markiert zudem den Kontraktwechsel beim US-Öl. Im April hatte dies im Zuge der schwachen Nachfrage und voller Rohöllager zu einem Preisrutsch in den Minus-Bereich geführt. Im Vergleich dazu waren die Preisabschläge zuletzt moderat. Sowohl die Nachfrage als auch die Lagerkapazitäten haben sich in der Zwischenzeit erholt./ssc/bgf/fba