WASHINGTON/RIAD (awp international) - Die Drohnenangriffe auf die grösste Ölraffinerie in Saudi-Arabien verschärfen die Spannungen zwischen den USA und dem Iran. US-Aussenminister Mike Pompeo machte den Iran direkt verantwortlich, obwohl sich zuvor die Huthi-Rebellen aus dem benachbarten Jemen zu den Angriffen bekannt hatten. Das gewaltige Flammenmeer in zwei Raffinerie-Komplexen des staatlichen Ölkonzerns Saudi Aramco führte nach dessen Angaben vom Sonntag zu einem drastischen Einbruch der Produktionsmenge.

Pompeo schrieb am Samstag auf Twitter: "Inmitten der Rufe nach Deeskalation hat der Iran jetzt einen beispiellosen Angriff auf die Welt-Energieversorgung verübt. Es gibt keinen Beweis, dass die Angriffe vom Jemen kamen."

Dagegen hatten die Huthis mitgeteilt, der Angriff mit zehn Drohnen sei von ihnen ausgegangen. Es sei der bislang grösste in Saudi-Arabien gewesen - und eine "legitime Antwort" auf die anhaltende Militärkampagne der Saudis im Jemen. "Wir versprechen dem saudischen Regime, dass unsere nächste Operation grösser und schmerzhafter sein wird", sagte ein Militärsprecher der Rebellen.

Der Iran hat die Vorwürfe Pompeos vehement zurückgewiesen. Pompeos Unterstellungen seien absurd, unerklärlich und daher auch halt- und wirkungslos, sagte Aussenamtssprecher Abbas Mussawi am Sonntag. Was im Jemen passiere, sei der Widerstand der Jemeniten gegen die Kriegsverbrechen der von den Saudis angeführten Militärkoalition, sagte der Sprecher laut Nachrichtenagentur Isna.

Saudi-Arabien führt im Jemen eine von den USA unterstützte Militärkoalition an, die gegen die Huthis kämpft. Diese werden wiederum vom Iran unterstützt und halten grosse Teile des Nordjemens inklusive der Hauptstadt Sanaa unter Kontrolle. In den vergangenen Monaten hatten die Huthis mehrmals Ölpipelines und Flughäfen in Saudi-Arabien mit Drohnen attackiert.

Die Internationale Energieagentur (IEA) sieht nach den Drohnenangriffen zunächst keine Versorgungsprobleme. Vorerst seien die Märkte gut mit reichlich kommerziellen Beständen versorgt, teilte die IEA mit Sitz in Paris mit. "Wir stehen in Kontakt mit den saudischen Behörden sowie mit den wichtigsten Produzenten- und Verbrauchernationen." Man verfolge die Situation in Saudi-Arabien aufmerksam, hiess es weiter. Die USA sind im Fall von Engpässen zur Freigabe von Ölreserven bereit. Damit könne etwaigen Störungen der Ölmärkte entgegengewirkt werden, teilte die Sprecherin des US-Energieministeriums, Shaylyn Hynes, am Sonntag mit.

Pompeo forderte alle Nationen auf, die iranischen Angriffe "öffentlich und eindeutig" zu verurteilen. Die USA würden sicherstellen, dass der Iran für seine Aggression zur Rechenschaft gezogen werde. Das Weisse Haus teilte mit, US-Präsident Donald Trump habe dem saudischen Kronprinzen Mohammad Bin Salman in einem Telefonat "seine Unterstützung für Saudi-Arabiens Selbstverteidigung" angeboten. Die US-Regierung werde darauf hinwirken, dass die globalen Ölmärkte ausreichend beliefert würden und stabil blieben.

Die "terroristischen Attacken" vom Samstagmorgen hätten die Ölproduktion auf die Hälfte des üblichen Volumens einbrechen lassen, berichtete die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA unter Berufung auf das Energieministerium. Dabei handele es sich aber nur um einen vorübergehenden Effekt, der zudem durch die Einspeisung vorhandener Ölreserven in den Markt teils kompensiert werde. Saudi Aramco bezifferte den angriffsbedingten Mengenverlust auf 5,7 Millionen Barrel Öl pro Tag.

Die Drohnenattacken hatten zwei Raffinerie-Komplexe in Bakiak und Churais in Brand gesetzt. Die Flammen stiegen weithin sichtbar in den Nachthimmel und verursachten dichte Rauchschwaden, die sich bis zu 150 Kilometer über Saudi-Arabien ausbreiteten. Inzwischen seien die Brände unter Kontrolle, erklärte die Regierung in der Nacht zum Sonntag. Verletzte unter den Arbeitern der Raffinerie habe es nach bisherigen Erkenntnissen nicht gegeben.

Bakiak liegt rund 330 Kilometer nordöstlich der saudischen Hauptstadt Riad. Nach Angaben von Saudi Aramco handelt es sich bei dem Komplex um die grösste Ölraffinerie des Konzerns. In Churais befindet sich eines der grössten Ölfelder Saudi-Arabiens.

Der UN-Sondergesandte für den Konflikt im Jemen, Martin Griffiths, äusserte sich "extrem besorgt" über die Entwicklungen. Solche Zwischenfälle stellten eine ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der regionalen Sicherheit dar und würden den von den Vereinten Nationen geleiteten politischen Vermittlungsprozess gefährden./cy/DP/men