Presse und Information

Gericht der Europäischen Union

PRESSEMITTEILUNG Nr. 115/20

Luxemburg, den 23. September 2020

Urteile in den Rechtssachen T-411/17,T-414/17 und T-420/17 Landesbank Baden-Württemberg, Hypo Vorarlberg Bank AG und Portigon AG / Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB)

Das Gericht erklärt den Beschluss des Einheitlichen Abwicklungsausschusses über

die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum Einheitlichen

Abwicklungsfonds für 2017 für nichtig und stellt die teilweise Rechtswidrigkeit der

Delegierten Verordnung 2015/63 fest

Der Beschluss ist nicht hinreichend festgestellt und begründet. Die Berechnung der Beiträge der

Landesbank Baden-Württemberg, der Hypo Vorarlberg Bank und von Portigon weist eine

inhärente Intransparenz auf.

Der Einheitliche Abwicklungsausschuss (Single Resolution Board, SRB), eine im Rahmen des Einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) eingerichtete Agentur der Europäischen Union, legt jährlich die im Voraus erhobenen Beiträge von rund 3 500 Finanzinstituten zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) fest, der durch die Verordnung Nr. 806/20141 geschaffen wurde. Diese Beiträge werden von den nationalen Abwicklungsbehörden bei den Instituten erhoben und an den SRF übertragen2.

Mit Beschluss vom 11. April 20173 legte der SRB die im Voraus erhobenen Beiträge der Institute fest, zu denen die Landesbank Baden-Württemberg (Deutschland), die Hypo Vorarlberg Bank AG (Österreich) und die Portigon AG (Deutschland) zählen. Diese wurden durch Beitragsbescheide, die von den zuständigen nationalen Abwicklungsbehörden an sie gerichtet wurden, über die Höhe ihrer Beiträge informiert.

Jedes der drei Institute erhob beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des SRB.

Mit seinen heutigen Urteilen erklärt das Gericht den Beschluss des SRB für nichtig, soweit er die Landesbank Baden-Württemberg, die Hypo Vorarlberg Bank und Portigon betrifft.

Zunächst stellt das Gericht fest, dass, obwohl die Beschlüsse des SRB über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF gemäß den anwendbaren Vorschriften an die nationalen Abwicklungsbehörden gerichtet sind, die beitragspflichtigen Institute zweifellos von diesen Beschlüssen unmittelbar und individuell betroffen sind. Daraus folgt, dass die Landesbank Baden-Württemberg, die Hypo Vorarlberg Bank und Portigon befugt sind, eine Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss des SRB zu erheben.

Sodann weist das Gericht von Amts wegen darauf hin, dass der SRB keinen Beweis für die Feststellung des Anhangs seines Beschlusses erbracht hat. Dieser Anhang ist ein elektronisches Dokument, das die Beträge der im Voraus erhobenen Beiträge enthält und daher einen wesentlichen Bestandteil des Beschlusses darstellt. Der SRB hat jedoch keine

1 Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. 2014, L 225, S. 1).

2 Gemäß dem am 21. Mai 2014 in Brüssel (Belgien) unterzeichneten zwischenstaatlichen Übereinkommen über die Übertragung von Beiträgen auf den SRF und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge.

3 Beschluss der Präsidiumssitzung des SRB vom 11. April 2017 über die Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge zum SRF für 2017 (SRB/ES/SRF/2017/05).

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Fassung des Anhangs vorgelegt, die mit einer elektronischen Unterschrift versehen ist, obwohl dieser Anhang mit dem von der Vorsitzenden des SRB eigenhändig unterzeichneten Text des angefochtenen Beschlusses nicht untrennbar verbunden ist. Der Beschluss des SRB ist somit nicht hinreichend festgestellt.

Darüber hinaus führt das Gericht aus, dass der Beschluss des SRB nicht ausreichend begründet ist.

Die jedem der klagenden Institute zur Verfügung gestellte Begründung enthält nämlich kein den (rund) 3 500 anderen Instituten spezifisches Berechnungselement, obwohl die Berechnung seines Beitrags zum einen impliziert, dass die Höhe seiner Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen) zur Gesamtsumme der Verbindlichkeiten (ohne Eigenmittel und gedeckte Einlagen) aller anderen Institute ins Verhältnis gesetzt wird, und zum anderen, dass sein Risikoprofil im Verhältnis zu den Risikoprofilen dieser anderen Institute nach den vorgesehenen Indikatoren bewertet wird.

In Beantwortung eines Vorbringens des SRB führt das Gericht aus, dass es die Vertraulichkeit der Daten der rund 3 500 anderen Institute nicht in Frage stellt; es weist aber darauf hin, dass die

Berechnung der Beiträge der Landesbank Baden-Württemberg, der Hypo Vorarlberg Bank und von Portigon eine inhärente Intransparenz aufweist, da sie im Wege einer wechselseitigen Abhängigkeit auf diesen Daten beruht. Diese Institute sind anhand der ihnen gegebenen

Begründung nicht in der Lage, die Höhe ihrer Beiträge zu überprüfen, obwohl es sich dabei um den entscheidenden Bestandteil des Beschlusses des SRB handelt, soweit er sie betrifft. Die Begründung versetzt diese Institute in eine Position, in der sie nicht wissen können, ob dieser Betrag korrekt berechnet wurde oder ob sie ihn vor dem Gericht anfechten sollen, obwohl sie, wie es von ihnen gleichwohl im Rahmen einer Klage verlangt wird, weder hinsichtlich dieses Betrags die beanstandeten Punkte des Beschlusses des SRB bezeichnen noch insoweit Rügen formulieren und Beweise oder zumindest ernsthafte Indizien für deren Begründetheit beibringen können.

In seinem Urteil über die Klage der Landesbank Baden-Württemberg führt das Gericht weiter aus, dass der Verstoß gegen die Begründungspflicht für den Teil der Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags, der die Anpassung entsprechend dem Risikoprofil betrifft, durch die von der Landesbank Baden-Württemberg im Wege der Einrede zu Recht geltend gemachte teilweise Rechtswidrigkeit der Delegierten Verordnung 2015/634 verursacht wird.

Da der SRB keinen neuen Beschluss erlassen kann, ohne erneut gegen die Begründungspflicht und das Recht der Landesbank Baden-Württemberg auf effektiven Rechtsschutz zu verstoßen, solange der rechtliche Rahmen, insbesondere die Delegierte Verordnung 2015/63, nicht geändert wurde, erhält das Gericht die Wirkungen des Beschlusses des SRB, soweit er die Landesbank Baden-Württemberg betrifft, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab dem Tag der Rechtskraft des vorliegenden Urteils aufrecht.

HINWEIS: Gegen die Entscheidung des Gerichts kann innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen nach ihrer Zustellung ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel beim Gerichtshof eingelegt werden.

HINWEIS: Eine Nichtigkeitsklage dient dazu, unionsrechtswidrige Handlungen der Unionsorgane für nichtig erklären zu lassen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen von Mitgliedstaaten, Organen der Union oder Einzelnen beim Gerichtshof oder beim Gericht erhoben werden. Ist die Klage begründet, wird die Handlung für nichtig erklärt. Das betreffende Organ hat eine durch die Nichtigerklärung der Handlung etwa entstehende Regelungslücke zu schließen.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das das Gericht nicht bindet.

4 Delegierte Verordnung (EU) 2015/63 der Kommission vom 21. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf im Voraus erhobene Beiträge zu Abwicklungsfinanzierungsmechanismen (ABl. 2015, L 11, S. 44).

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Der Volltext der Urteile (T-411/17,T-414/17und T-420/17)wird am Tag der Verkündung auf der Curia-

Website veröffentlicht.

Pressekontakt: Hartmut Ost (+352) 4303 3255.

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Europäischen Union veröffentlichte diesen Inhalt am 23 September 2020 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 23 September 2020 18:18:04 UTC.

Originaldokumenthttps://curia.europa.eu/jcms/jcms/p1_3230443

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