Von Pierre Briancon

PARIS (Dow Jones)--Der französische und der deutsche Finanzminister konnten ihre Freude kaum verhehlen. Der Grund: US-Finanzministerin Janet Yellen signalisierte diese Woche ihre Zustimmung zum Prinzip eines globalen Mindeststeuersatzes für Unternehmen.

Da sich die US-Regierung nunmehr für ein Prinzip stark macht, das in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit langem diskutiert wird, haben sich die Aussichten eines globalen Abkommens zur Steuervermeidung von Unternehmen verbessert. Die Chancen, den Wettlauf nach unten zu begrenzen, bei dem Regierungen versuchen, Unternehmen mit niedrigen Steuersätzen mit einer Ansiedlung zu sich zu locken, stehen inzwischen günstiger denn je. Und multinationale Unternehmen, die geschickt darin geworden sind, wenig Steuern auf ihre weltweiten Gewinne zu zahlen, werden wahrscheinlich aufgefordert, mehr zum Gemeinwohl beizutragen.


   Tech-Riesen soll bei Steuervermeidung Strich durch die Rechnung gemacht werden 

Sowohl der französische Finanzminister Bruno Le Maire als auch sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz drückten die Hoffnung aus, dass noch in diesem Jahr eine internationale Einigung in diesen lange umstrittenen Fragen erzielt werden könnte. Beide bestanden auch auf einer Dimension der OECD-Pläne, die in den transatlantischen Beziehungen heikel geworden ist. Die Besteuerung großer - und meist US-amerikanischer - globaler Internetfirmen, die sich zu Meistern darin emporschwingen, ihre Gewinne aus dem Ausland in Länder zu verlagern, in denen sie wenig oder gar keine Steuern zahlen, soll mit einbezogen werden.

Das bisherige Fehlen eines solchen globalen Abkommens und die Entscheidung der Trump-Administration, sich aus den Gesprächen im vergangenen Jahr zurückzuziehen, führte dazu, dass die meisten großen EU-Länder eine sogenannte Digitalsteuer angedroht oder beschlossen haben. Sie basiert auf den Einnahmen von Unternehmen wie Apple, Amazon, Google oder Facebook und wird erhoben nach den Regeln in ihren eigenen Rechtsräumen. Alle diese Pläne waren als vorübergehend gedacht, in Erwartung des immer noch schwer fassbaren OECD-Deals.


   Technische Details sind geklärt und Politik muss liefern 

Aber der Plan, der innerhalb der OECD diskutiert wird, ist viel breiter angelegt. Technisch gesehen ist das System nach mehr als einem Jahr der Diskussionen unter den Mitgliedsländern fertig. Es hat zwei "Säulen". Die erste schlägt Änderungen in der Art und Weise vor, wie multinationale Unternehmen besteuert werden - mit einem Anteil, der darauf basiert, wo ihre tatsächlichen Kunden sind. Die zweite Säule definiert die Prinzipien, auf denen ein Mindeststeuersatz beruhen sollte.

Die OECD enthüllte ihren Plan im vergangenen Oktober, und alles, was jetzt noch fehlt, ist die politische Ebene, mit einer verbindlichen Vereinbarung der an den Gesprächen beteiligten Regierungen. Von daher hatte Yellens Aussage zu Wochenauftakt immense Bedeutung. Nachdem die OECD-Gespräche jahrelang mit Skepsis oder Hohn bedacht worden waren, unterstützen die USA nun den multinationalen Ansatz.


   Nunmehr hat Washington ureigenes Interesse an einem Abkommen 

Washington hatte sich bereits den Gesprächen über die Besteuerung multinationaler Unternehmen wieder angeschlossen. Und mit dem Plan der Biden-Regierung, die Körperschaftssteuer in den USA im Laufe der Jahre von 21 Prozent auf 28 Prozent zu erhöhen, haben die USA nun ein ureigenes Interesse daran, dass sie nicht ihrerseits Opfer von Steuerdumping werden. Nach Angaben der OECD würde die Umsetzung der ersten Säule zu einer Umverteilung von Steuereinnahmen in Höhe von etwa 100 Milliarden US-Dollar zwischen den Regierungen auf der ganzen Welt führen. Die zweite Säule würde die globalen Unternehmenssteuereinnahmen um 60 bis 100 Milliarden Dollar hochschrauben.

Frankreich und Deutschland könnten zwar durchaus optimistisch sein, auf eine Einigung noch in diesem Jahr zu hoffen, da die technische Arbeit bereits geleistet ist und jetzt die politischen Mechanismen greifen. Aber selbst wenn Dutzende von Teilnehmern alle zustimmen - eine Notwendigkeit, um das Fortbestehen von großen Schlupflöchern in Form von Steueroasen zu vermeiden -, kann die Ratifizierung des Abkommens Zeit in Anspruch nehmen. In den USA zum Beispiel könnte die Abstimmung im Kongress nicht reibungslos verlaufen.


   Weiterhin Vergeltungszölle zwischen Frankreich und USA 

Aber das Fehlen eines Abkommens dürfte laut der OECD die Entscheidung der Regierungen beeinflussen, wie sie jetzt weitermachen. Unabgestimmte Initiativen erhöhten die Wahrscheinlichkeit eines globalen Steuer- und Handelskriegs. Das ist keine ferne Aussicht: Die USA erheben immer noch Zölle auf einige Waren, die aus Frankreich importiert werden, weil das Land beispielsweise eine eigene Digitalsteuer eingeführt hat.

Sollte es zu keiner Einigung kommen, könnten Handels- und Steuerstreitigkeiten zu einem Rückgang des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1 Prozent führen, lautet das Fazit der OECD. Da sich die Weltwirtschaft langsam von der Covid-19-Rezession erholt, ist dies ein Risiko, über das man nachdenken sollte.

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April 07, 2021 11:05 ET (15:05 GMT)