Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Von allen Differenzen zwischen den USA und ihren Verbündeten in Europa dürfte die Frage des Umgangs mit China die unüberbrückbarste sein. Frisch vom G7-Treffen in Großbritannien kommend ist US-Präsident Joe Biden diese Woche in Brüssel, um sich mit den Spitzen der Nato und der EU zu treffen. Zweifellos wird es weitere warme Worte der transatlantischen Harmonie zu Themen wie Covid-19, Klimawandel und Bedeutung der Demokratie geben.

Unter der Oberfläche gibt es jedoch weiterhin Meinungsverschiedenheiten. Bei langjährigen Themen wie den europäischen Militärausgaben, digitalen Steuern, Stahlzöllen und Subventionen für Boeing sowie Airbus kann die Diplomatie wahrscheinlich Fortschritte bringen. Wo es besonders knifflig wird, einen bedeutenden Fortschritt zu erzielen, ist bei der Versöhnung der unterschiedlichen Haltungen gegenüber China.


   Europäer wollen mit Peking kooperieren 

Das Kommuniqué des G7-Gipfels vom Wochenende war in Bezug auf China überwiegend ablehnend, aber die begleitenden Kommentare verdeutlichten den Balanceakt, den die EU vollziehen muss. Europäische Spitzenpolitiker wie Frankreichs Emmanuel Macron und Italiens Mario Draghi betonten die Notwendigkeit, mit Peking zu kooperieren.

Die Haltung in Brüssel hat sich gegenüber der asiatischen Nation dagegen ebenso verhärtet wie die in Washington. 2019 machte die EU einen großen Schritt und bezeichnete China als "systemischen Rivalen". Seitdem hat sie Befugnisse zur Überprüfung ausländischer Investitionen eingeführt und neue Regeln vorgeschlagen, um Übernahmen durch staatlich subventionierte Unternehmen zu blockieren. Mittel- und osteuropäische Nationen geben sich auch gegenüber Pekings Seidenstraßen-Initiative abgekühlter.


   EU-Spitzen streben nach "strategischer Autonomie" 

Die EU ist jedoch ein Handelsblock und keine politische Supermacht. Sie ist besorgt um den Marktzugang und darum, China dazu zu bringen, sich an multilaterale Regeln zu halten - Bestrebungen, die sie dazu brachten, ein China-EU-Investitionsabkommen Anfang 2021 im Eiltempo durchzupauken. Sie macht sich weniger Sorgen über Pekings wachsende geopolitische Macht.

Politische Schwankungen in den Amtsjahren der vergangenen US-Präsidenten, die in den Trump-Jahren gipfelten, haben auch die EU-Spitzen dazu gebracht, "strategische Autonomie" zu suchen, und das wird sich wahrscheinlich nicht ändern. Obwohl sie viel mit Biden gemeinsam haben, hat der neue US-Präsident weiterhin unilaterale Entscheidungen mit wenig EU-Konsultation getroffen. Dazu zählen der Truppenabzug aus Afghanistan und die Unterstützung von Patentverzichtserklärungen für Covid-19-Impfstoffe.


   Nur sehr wenige Europäer sehen China als Partner 

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage ergab, dass ein Fünftel der Europäer die USA als Verbündeten ansieht, während nur 5 Prozent dasselbe von China behaupten. Dennoch betrachten viele Menschen beide Nationen als notwendige Partner. An der Seite der USA zu stehen, aber China nicht zu provozieren, ist ein heikles Unterfangen, besonders da Peking immer mutiger wird und sich als gleichwertig mit den USA einstuft.

Ein Beispiel dafür ist die Haltung Europas gegenüber der uigurischen Minderheit. Washingtons Sprache in der G7-Erklärung über angebliche Misshandlungen wurde von den Europäern abgemildert. Anfang 2021 führte die Entscheidung der EU, sich den Verbündeten bei der Sanktionierung Chinas anzuschließen, dazu, dass Peking Vergeltungssanktionen gegen EU-Beamte verhängte und das EU-Parlament das Investitionsabkommen zwischen der EU und China einfror.


   Weiter Streit um Huawei und 5G 

Auch die Huawei-Angelegenheit dümpelt weiter vor sich hin. Ein US-Vorstoß mit Blick auf die Verbündeten, die Ausrüstung des chinesischen Tech-Riesen aus 5G-Netzwerken zu verbannen, traf auf eine vorhersehbar nuancierte europäische Antwort. Die EU hat allgemeine 5G-Cybersicherheitsrichtlinien entwickelt, die den Mitgliedsstaaten Werkzeuge zur Verfügung stellen, um Huawei zu blockieren, aber sie hat es versäumt, das Unternehmen namentlich zu nennen.

Die nationalen Maßnahmen waren unterschiedlich. Schweden verbot Huawei, was zu Drohungen mit Vergeltungsmaßnahmen und bizarrerweise zu Lobbyarbeit des heimischen Rivalen Ericsson führte, der ein großes Chinageschäft betreibt, um die Entscheidung rückgängig zu machen. Am anderen Ende der Skala steht Deutschland, das immer noch überlegt, was es tun soll.

Wenn sie in die Enge getrieben werden, dürften die europäischen Nationen mit ziemlicher Sicherheit die USA unterstützen, aber sie lassen wohl nichts unversucht, um nicht Partei ergreifen zu müssen. Die große Frage für die transatlantischen Beziehungen könnte sein, wie weit Washington sie treibt.

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June 14, 2021 10:08 ET (14:08 GMT)