Von Eric Sylvers und Paul Hannon

MAILAND/LONDON (Dow Jones)--Eine temporeiche Impfkampagne in den USA verheißt Millionen von Amerikanern für den Sommer Strandurlaube, Grillabende und Roadtrips. Im Gegensatz dazu sieht es in Europa eher nach einem verdrießlichen Sommer aus.

Die Regierungen der EU-Staaten hatten gehofft, dass in den ersten Monaten 2021 genügend Europäer geimpft würden könnten, um die Restriktionen zu lockern und einen relativ normalen Sommer zu ermöglichen. Für Millionen von Unternehmen, die im Winter darbten, vor allem in den Urlaubsländern Italien, Griechenland und Spanien, wäre das eine immense Erleichterung gewesen.

Stattdessen bedeutet das langsame Impftempo in der EU, das durch die Sicherheitsbedenken beim Astrazeneca-Impfstoff einen weiteren Dämpfer erhalten hat, dass die Wirtschaft wohl weit hinter jener der USA zurückblieben wird. Einige vom Tourismus abhängige Volkswirtschaften wie die spanische könnten dieses Jahr erneut schrumpfen.


   Eurozone-Wirtschaft wird im 1Q schrumpfen 

Eine Reihe von EU-Ländern hat neue strikte Eindämmungsmaßnahmen und Teil-Lockdowns wieder eingeführt, um die hohen Ansteckungszahlen zu bekämpfen. Wie aus Daten von Google Mobility hervorgeht, liegen die Bewegungsmuster für Besuche in Shoppingcentern, Restaurants und Cafes in Westeuropa etwa auf der Hälfte des Niveaus von vor der Pandemie. In den USA ist liegt die Mobilität etwa 10 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.

Die Eindämmungsmaßnahmen bedeuten, dass die Wirtschaft der Eurozone in den ersten drei Monaten 2021 erneut schrumpfen wird, während die US-Wirtschaft um 1,5 Prozent wachsen wird.

Die langsame Impfkampagne deutet darauf hin, dass die Wirtschaft monatelang feststecken wird. Große EU-Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien haben weniger als 10 Prozent der Menschen mit mindestens einer Dosis geimpft, in den USA sind es schon 23 Prozent.

Die EU hat ihren Mitgliedstaaten verordnet, 70 Prozent ihrer Bevölkerung bis September geimpft zu haben, was die meisten Länder auch glauben zu erreichen oder übertreffen zu können. Aber die Geschwindigkeit bleibt unsicher angesichts der Impfstoff-Lieferprobleme und der Zurückhaltung vieler Menschen, sich mit Astrazeneca impfen zu lassen.


   Urlaubsländer leiden besonders 

Tourismus und Reisetätigkeit tragen rund 13 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Italiens bei, wie aus Daten des World Travel and Tourism Council hervorgeht. In Spanien sind es 14 Prozent, in Griechenland 21 Prozent. Der Anteil der USA und der meisten nordeuropäischen Länder liegt bei unter 10 Prozent.

Vor dem holprigen Start der EU-Impfprogramme hatten Politiker für die drei Monate bis Juni eine leichte Erholung der Wirtschaft erwartet, die mit den steigenden Impfungen im Sommer richtig Fahrt aufnehmen würde. In den Szenario würden nur knapp die Hälfte der 19 Mitglieder der Eurozone bis Ende des Jahres auf Vorkrisenniveau zurückkehren, während sich die Wirtschaft des Euroraums um 4 Prozent wachsen würde, verglichen mit einem erwarteten Wachstum in den USA von 6,5 Prozent.

Ein Verlust des Sommertourismusgeschäfts wäre ein schwerer Schlag. Wenn die Wiedereröffnungen um drei Monate oder länger verschoben werden, geht die EU von einem Wirtschaftswachstum in der Eurozone von nur noch 2,5 Prozent in diesem Jahr aus. Statt Vorkrisenniveau Anfang nächsten Jahres zu erreichen, würde sich die Wirtschaft nicht vor Ende 2022 erholen. Überdies könnte eine langsame Erholung der Wirtschaft in der Eurozone langfristig Schaden anrichten.


   Nord und Süd driften weiter auseinander 

Selbst wenn die Einschränkungen bis zum Sommer aufgehoben werden, geht die EU nicht davon aus, dass Italien und Spanien bis Ende 2022 zum Wirtschaftswachstum der der Vor-Corona-Zeit zurückkehren werden, was schon ein Jahr später wäre als Deutschland. Das würde das Auseinanderdriften der Nord- und Südeuropäischen EU-Länder weiter verstärken.

Tatsächlich schätzen Ökonomen von Morgan Stanley, dass die spanische Wirtschaft 2021 erneut schrumpfen könnte, wenn die Urlaubssaison schwächer ausfällt als im vergangenen Jahr.

Gleichzeitig erschweren es die Banken Europas den Unternehmen und Haushalten, sich zu verschulden, weil sie bei einer Intensivierung der Pandemie Zahlungsausfälle fürchten, wie aus Daten der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht.

Die EZB hat vergangene Woche mitgeteilt, ihre Ankäufe von Eurozone-Anleihen zu verstärken, um Kreditkosten im Zaum zu halten, welche angesichts besserer Aussichten für die US-Wirtschaft und der lockeren Haltung der Federal Reserve gestiegen sind.

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March 23, 2021 09:43 ET (13:43 GMT)