Von Anna Hirtenstein
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Renditen europäischer Staatsanleihen sind in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Investoren wetten darauf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit Anleihekäufen eingreifen wird, um die Finanzierungskosten für Unternehmen und Haushalte niedrig zu halten. Das liegt auch daran, dass der Renditesprung bei deutschen und französischen Anleihen weniger einen guten Wachstumsausblick, sondern mehr den plötzlichen Anstieg der US-Renditen widerspiegelt. Die konjunkturellen Aussichten in Europa sind verglichen mit denen der USA eher trübe.
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Die Impfungen gegen das Coronavirus kommen in Europa nur langsam voran. Außerdem verblassen neben den US-Ausgabenprogrammen die finanziellen Bemühungen der europäischen Staaten und der europäischen Ebene.
Deutsche und französische Renditen weiter negativ
Die Renditen deutscher und französischer 10-jähriger Anleihen liegen weiterhin im negativen Bereich. Dennoch hat ihr plötzlicher Anstieg die Sorge geweckt, dass die Kreditkosten für Unternehmen steigen könnten, was die wirtschaftliche Erholung Europas weiter behindern würde. Staatsanleiherenditen dienen als Referenz bei der Vergabe von Unternehmenskrediten und auch bei allen anderen Arten von Schulden.
In den USA scheinen die höheren Renditen zur wirtschaftlichen Entwicklung zu passen. Offizielle der US-Notenbank haben wiederholt gesagt, dass der Anstieg "gesund" sei, weil er die optimistischeren Erwartungen der Investoren für die Wirtschaft widerspiegele.
Zuletzt haben sich die Anleihemärkte auf beiden Seiten des Atlantiks etwas beruhigt, die Renditen sind nicht weiter gestiegen. Aber sowohl in Deutschland als auch in Frankreich sind sie verglichen mit dem Jahresanfang weiterhin erhöht. Investoren und Analysten sind der Meinung, dass diese Entwicklung wegen der schwächeren Wirtschaftslage genau beobachtet werden muss. Sie zählen darauf, dass die EZB ihr Anleihekaufprogramm erhöht, um die Kreditzinsen zu senken. Diese Erwartung hat bereits Geld zurück in die europäischen Anleihemärkte gespült.
EZB lässt keine höheren Finanzierungskosten zu
"Ohne die kontinuierliche Unterstützung der Europäischen Zentralbank wären die Finanzierungskosten in der Eurozone bestimmt höher, was die Zentralbank nicht zulassen kann", sagt Althea Spinozzi, ein Fixed-Income-Stratege der Saxo Bank.
Die Rendite deutscher 10-jähriger Staatsanleihen, die weithin als Benchmark für risikofreie Anlagen in Europa angesehen wird, erreichte in der vergangenen Woche minus 0,23 Prozent, den höchsten Stand seit März 2020. In Frankreich stieg die entsprechende Rendite zum ersten Mal seit Juni über Null. Auch in den höher verschuldeten Ländern Südeuropas wie Italien und Griechenland stiegen die Renditen sprunghaft, bevor sie sich in dieser Woche wieder etwas abschwächten.
Den politischen Entscheidungsträgern ist der Anstieg der Renditen natürlich nicht entgangen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte am 22. Februar, dass ihre Institution dies genau beobachte. Andere EZB-Offizielle versicherten in den vergangenen Tagen, dass die Zentralbank die monetäre Unterstützung erhöhen könnte, um eine Straffung der Finanzierungsbedingungen zu verhindern.
Investoren wollen nach Worten Taten der EZB sehen
Worte alleine sind nach Einschätzung von Investoren aber inzwischen nicht mehr genug. "Jetzt kommt es auf Taten an. Wir haben diese Woche gesehen, dass die verbalen Interventionen den Markt nicht wirklich beeinflusst haben", sagt Iain Stealey, Chief Investment Officer of Fixed Income bei J.P. Morgan Asset Management.
Die nächste geldpolitische Sitzung des EZB-Rats findet am 11. März statt. Wenn der beschließen sollte, mehr Anleihen zu kaufen, würde dies wahrscheinlich über das Pandemiekaufprogramm PEPP geschehen, das ein Volumen von 1,85 Billionen Euro hat, meinen Analysten. Die EZB hat davon bisher allerdings nur 850 Milliarden eingesetzt, so dass sie eigentlich noch ausreichend Mittel zur Verfügung hat.
Stealey erwartet, dass sich die Renditen deutscher und französischer Staatsanleihen stabilisieren werden. "Wir haben das Gefühl, dass das europäische Umfeld höhere Renditen nicht wirklich hergibt", sagt er.
Kreditkosten im Euroraum sind bisher nicht gestiegen
Bisher haben die höheren Renditen von Staatsanleihen nicht zu einem Anstieg der Kreditkosten für Unternehmen geführt. Das liegt daran, dass sich die meisten großen Unternehmen längerfristige Kredite mit niedrigen Zinssätzen gesichert haben. Aber der Anstieg der Schuldenlast der Unternehmen in den vergangenen Jahren macht höhere Kreditkosten gleichwohl zu einem Problem.
Die Flut von billigem Geld der EZB in den vergangenen zwölf Monaten hat auch die Renditen von Unternehmensanleihen gedrückt. Die Kreditspreads hätten sich so stark eingeengt, dass die Renditen von Unternehmensanleihen jetzt empfindlicher auf den zugrunde liegenden risikofreien Zinssatz reagieren als sonst, sagt Georgina Taylor, Multi-Asset-Fondsmanagerin bei Invesco. Sie verkaufte einige Unternehmensanleihen, als die Renditen von Staatsanleihen stiegen.
Ökonomen erwarten, dass die Inflation im Euroraum in diesem Jahr moderat steigen, aber immer noch gedämpft bleiben wird. Deutschlands 10-Jahres-Breakeven-Rate, ein Indikator für die Inflationserwartungen der Investoren, liegt derzeit bei 1,1 Prozent, verglichen mit 0,9 Prozent Ende 2020.
"Es ist nicht wahrscheinlich, dass wir schnell eine positive Produktionslücke und eine deutlich höhere Inflation bekommen", sagt Konstantin Veit, Portfoliomanager bei Pimco. "Europa ist verglichen mit den USA nicht so aggressiv mit seiner Fiskalpolitik." Sollten die Renditen deutscher Staatsanleihen weiter steigen, würde er dies als Kaufgelegenheit betrachten, so Veit.
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March 02, 2021 10:37 ET (15:37 GMT)