Von Laura Forman

NEW YORK (Dow Jones)--Die Verbraucher haben ihre Konsumwünsche im vergangenen Jahr eher gestrichen und Geld gespart. Die lange Pause bei den Ausgaben hat vielen Unternehmen geschadet, aber sie hat vielleicht auch das Spielfeld für andere geebnet. Jetzt, wo sich die Weltwirtschaft wieder öffnet, haben Marken die einmalige Chance, neue Kunden zu gewinnen. Sie können auch jene, die ihnen die Treue gehalten hatten, belohnen und darauf hoffen, ihr Geschäft dadurch langfristig abzusichern. Die Investoren werden entscheiden müssen, was diese Loyalität wert ist.

Jason Bornstein von Forerunner Ventures in San Francisco meinte zuletzt in einem Blog-Beitrag, dass eine Welle neuer "Loyalitätsoptionen" auf den Markt kommen dürfte. Die Verbraucher seien nach einem Jahr ohne Shopping und Reisen "bereit für etwas Neues". Ging es im vergangenen Jahrzehnt um eine effiziente Kundenakquise, so geht es laut Bornstein heute um die Macht der Loyalität.


   Das A und O 

Sogar vor der Pandemie gab es viele Beispiele, bei denen die langfristige Kundenloyalität umfangreiche Gewinne versprach. Slack Technologies gab 2018 und 2019 im Durchschnitt satte 61 Prozent des Umsatzes für Vertrieb und Marketing aus. Aber das zahlte sich durchaus aus. Die sogenannte Netto-Dollar-Retention-Rate - im Wesentlichen, wie viel Kunden am Ende eines Zeitraums zahlten im Vergleich zu den zwölf Monaten zuvor - betrug in diesem Zeitraum durchschnittlich 148 Prozent.

In ähnlicher Weise gab Doordash 2018 und 2019 durchschnittlich fast 57 Prozent seines Umsatzes für Vertrieb und Marketing aus, aber seine Konzern-Kennzahlen zeigen auch eine erhebliche Rendite auf diese Investition. Der Börsengang deutet auch darauf hin, dass die 2018 gewonnenen Kunden im zweiten Jahr bereits das 1,65-Fache dessen ausgaben, was sie im ersten Jahr auf der Plattform zahlten. Im dritten Quartal 2020 gab Doordash an, dass seine Bestandskunden 85 Prozent des Bruttobestellwerts generierten, gegenüber 68 Prozent im dritten Quartal 2018.


   Gewinnen und Binden von Kunden immer nach anderem Schema 

Aber Investoren sollten bedenken, dass das Gewinnen und Binden von Kunden sich kaum stets nach der gleichen Methode erreichen lässt. Ein beredtes Beispiel ist Casper Sleep, das im vergangenen Jahr inmitten von Gerüchten über einen schnell wachsenden Kundenstamm an die Börse ging. Das Matratzenunternehmen gab an, dass es 2019 mehr als 36 Prozent des Nettoumsatzes für Vertrieb und Marketing ausgab. Aber nur etwas mehr als 16 Prozent seiner Direktkunden kamen von der Gründung bis September 2019 für einen Folgekauf zurück. Casper wird jetzt zu etwa der Hälfte seines Börseneinführungspreises gehandelt.

Und dann gibt es noch Unternehmen, deren Marken so stark sind, dass nur wenige Ausgaben nötig sind. Airbnb, zum Beispiel, berichtet, dass 90 Prozent seines Nutzeraufkommens jetzt entweder unbezahlt oder direkt ist. Dieser Grad an Markenbekanntheit ist jedoch selten.


   Apple muss kaum in Kundenloyalität investieren 

Die Macht der Marke kann noch stärker sein, wenn die Wechselkosten hoch sind. Die Marketingkosten von Apple sind im Verhältnis zum Umsatz so gering, dass sie nicht einmal aufgeschlüsselt werden. Die Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten machten im vergangenen Jahr nur 7 Prozent der Gesamteinnahmen aus - ein Beweis für das Prestige der Produkte und dafür, wie sehr sich die Nutzer in Apples Ökosystem vertiefen.

Es gibt auch Fälle, in denen Loyalität trügerisch billig aussehen kann. Peloton Interactive gab im vergangenen Quartal nur 16 Prozent seines Umsatzes für Vertrieb und Marketing aus und schaffte es dennoch, seinen Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 141 Prozent zu steigern. Die Nutzer waren fanatisch und absolvierten im Durchschnitt 26 Trainingseinheiten pro Abonnement und Monat, was darauf schließen lässt, dass sie kaum einen Tag ohne ein Peloton-High verlebten.


   Peloton im Hype 

Das halsbrecherische Wachstum von Peloton wurde von den Investoren gut honoriert. Laut einer Analyse von BMO-Capital-Markets-Analyst Simeon Siegel impliziert der aktuelle Marktwert von Peloton, dass seine Kunden über 25 Jahre lang zahlende Mitglieder bleiben werden. In Anbetracht der Geschichte kurzlebiger Trainingsmoden und der Tatsache, dass die Fahrräder des Unternehmens bald mit Fitnessstudios und nicht-stationären Geräten konkurrieren müssen, die sich in der freien Natur bewegen können, scheint das etwas weit hergeholt zu sein.

Unabhängig davon wird es wahrscheinlich mehr Produkte brauchen, um die Kunden über Jahrzehnte zu halten. Schließlich gehen die Geräte kaputt oder die Leute langweilen sich und von daher sind auch mehr Marketingausgaben nötig, um die Kunden zu motivieren.

Daniel McCarthy, Assistenzprofessor für Marketing an der Goizueta Business School der Emory University, meint, dass es zwei Möglichkeiten gibt, wie Investoren bei der Bewertung von Kundenakquisitionskosten falsch liegen können. Erstens könnten sie falsche statistische Modelle für die Schätzung der Verweildauer der Kunden benutzen. Zweitens könnten sie zwar korrekte Modelle zu Grunde legen, aber das auf der Basis einer zu kurzen Nutzungsperiode, die möglicherweise nicht repräsentativ für die Benutzung auf lange Sicht ist.


   Bei Taxi-Apps dürfte bald wieder Kampf um Kunden entbrennen 

Lyft zum Beispiel berichtete zuletzt, dass seine Vertriebs- und Marketingkosten im ersten Quartal einen historischen Tiefstand in Prozent des Umsatzes erreicht haben. Doch in diesem Zeitraum sank der Umsatz im Jahresvergleich um 36 Prozent, in einer Kombination aus sich noch immer erholender Nachfrage und einem branchenweiten Fahrermangel. Zwar ist die Branche inzwischen etwas gereift, doch sobald die Fahrer zurückkehren, werden Uber und Lyft wieder gegenseitig um die Kunden buhlen.

In diesem Stadium der technischen Entwicklung mag Loyalität der Preis sein, und die Akquisitionskosten stehen auf dem Spiel, wie Bornstein bestätigt. Aber einige Unternehmen können es sich einfach nicht leisten, aufs Ganze zu gehen, während andere es vielleicht übertreiben.

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July 19, 2021 04:52 ET (08:52 GMT)