Von Carol Ryan

NEW YORK (Dow Jones)--Um sich die Marke Bulgari zu sichern, umgarnte Luxusgüter-Titan Bernard Arnault zwölf Jahre lang die Familie hinter der Juwelierkette. Am Ende kostete die Übernahme 5 Milliarden US-Dollar. Die Pandemie mag einige Besitzer von Nobelmarken erweichen, trotzdem wird es schwierig bleiben, derartige Geschäfte tatsächlich abschließen zu können.

Die Kluft bei der Ertragsstärke zwischen großen und kleinen Designermarken hat sich seit Beginn der Pandemie vielfach vergrößert. Ein großer Kampf um Marktanteile ist im Gange und "einige der Kleinen kommen jetzt unter die Räder", wie Flavio Cereda, Jefferies Spezialist für Luxusgüter, es formuliert. Der Betreiber eines Einkaufszentrums in China habe erzählt, so Cereda, dass der Umsatzanteil der Top-10-Luxusmarken von 45 Prozent vor der Pandemie auf heute 70 Prozent emporgeschossen ist. Die kleineren Anbieter seien immer stärker unter Druck geraten.


 Selbst Armani könnte Probleme mit der Eigenständigkeit bekommen 

Der Trend zeigte sich in den ersten drei Monaten des Jahres besonders: Während die Umsätze des Schuhherstellers Tod's um 16 Prozent und die des britischen Trenchcoat-Designers Burberry um 5 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum vor der Pandemie 2019 zurückgingen, verzeichneten die Branchenriesen Hermès und LVMH Moët Hennessy Louis Vuitton, die von Arnault gegründet wurden, Zuwächse von 33 Prozent und 8 Prozent.

Die Krise hat einige Firmengründer gezwungen, ihre Nachfolgepläne zu überdenken. So sagte der italienische Designer Giorgio Armani kürzlich in einem Interview mit der Vogue, es sei für sein gleichnamiges Label weniger entscheidend, völlig unabhängig zu sein. Auch Tod's-Gründer Diego Della Valle deutete öffentlich an, dass er für einen Verkauf offen wäre. Investoren spekulieren derweil darauf, dass die schlechten Marktaussichten kleinere Marken in die Arme großer Luxuskonzerne wie den Gucci-Eigner Kering treiben werden. Der Aktienkurs von Tod's hat sich in diesem Jahr gar verdoppelt, vor allem wegen der Spekulationen über einen Verkauf.


 Luxusmarken sehr hoch bewertet 

Gleichwohl gibt es bei derlei Übernahmen entscheidende Hürden. Eine offensichtliche ist dabei die Bewertung, denn selbst angeschlagene börsennotierte Marken erscheinen derzeit teuer. Der gesamte Luxussektor wird aktuell mit dem 31,9-fachen der prognostizierten Gewinne gehandelt, verglichen mit einem 15-Jahres-Durchschnitt von lediglich 18,4, wie Berechnungen von HSBC zeigen. Das bisher letzte Mal, dass Marktteilnehmer für Aktien der Branche derart viel hinblättern mussten, war während der Dotcom-Blase.

Die wohlhabenden Gründerfamilien - sowohl der börsennotierten als auch der nicht-börsennotierten Designer-Labels - sind kaum je verzweifelt. Selbst eine schwache Luxusmarke erwirtschaftet noch reichlich Bargeld. Sie sind überdies wählerisch, mit wem sie sich zusammentun. Das wiederum schränkt den Kreis der potenziellen Käufer ein. Tod's-Gründer Della Valle spezifizierte, er werde nur an LVMH verkaufen: Der Konzern hat erst kürzlich seinen Anteil an dem Schuhhersteller auf 10 Prozent verdreifacht. Armani sagte, er würde nur mit einer anderen italienischen Gruppe verhandeln. Sein Kommentar wurde als Anspielung auf das Investmentvehikel Exor der Agnelli-Familie interpretiert, das auch Anteile von Luxusunternehmen gekauft hat.


 Große Marken haben wieder reichlich Bargeld in Bilanzen 

Die Luxusmarken finden überdies Alternativen zu einem direkten Verkauf. Zum Wochenauftakt etwa warb der Lederwarenhersteller Salvatore Ferragamo den Burberry-Chef Marco Gobbetti ab - ein Zeichen dafür, dass die Ferragamo-Gründerfamilie das angeschlagene Label selbst umkrempeln will. Die Aktien des Unternehmens sind in dieser Woche um etwa 7 Prozent gefallen, weil sich die Aussichten auf einen Verkauf damit eingetrübt haben. Im März verkaufte die Schuhmarke Christian Louboutin 24 Prozent ihres Geschäfts an Exor, nachdem sie laut M&A-Bankern Annäherungen mehrerer großer französischer Häuser abgelehnt hatte.

Wenn es denn gelingt, die Eigentümer zu überreden, so sind potenzielle Käufer zumindest in einer ausreichend robusten Verfassung, um Transaktionen auch stemmen zu können. Die weltweiten Verkäufe von Luxusartikeln werden in diesem Jahr voraussichtlich das Niveau von 2019 erreichen oder übertreffen, schätzt die Unternehmensberatung Bain. Die rasante Erholung findet rund zwei Jahre früher als bisher erwartet statt: in den Bilanzen der großen Marken wächst wieder der Cash-Anteil.


 Oft profitieren Käufer und Verkäufer 

Wenn die vier größten börsennotierten Luxusunternehmen Europas - LVMH, Kering, Hermès und Richemont - Schulden im Volumen des dreifachen prognostizierten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) aufnähmen, so kämen sie nach Schätzungen von Bernstein bis Ende des Jahres theoretisch auf eine finanzielle Feuerkraft für Deals von zusammen 85 Milliarden Euro.

Der Kauf von unabhängigen Marken kann für beide Seiten von Vorteil sein. Große Luxushäuser haben volle Geldbeutel, um in Online-Handel und Marketing sowie die besten Boutiquen-Standorte zu investieren. In solch einem Umfang können das kleinere Eigentümer eben nicht. Der Umsatz von Bulgari hat sich verdoppelt, und die operativen Margen haben sich verdreifacht, seit das Unternehmen vor zehn Jahren unter das Dach von LVMH gelangte.


 Kering hängt extrem von Gucci ab 

Kering braucht vielleicht am meisten einen Einkaufsbummel, um seine Abhängigkeit von Gucci zu reduzieren: Hier werden bislang 83 Prozent des gesamten Betriebsgewinns erwirtschaftet. Das Unternehmen möchte sich vielleicht auch vergrößern, um mit LVMH konkurrieren zu können. Der größere Rivale hat seinen Börsenwert seit Anfang vergangenen Jahres um rund 130 Milliarden Euro gesteigert - das ist mehr als Kering insgesamt wert ist.

Da sich die attraktivsten Marken wie Chanel und Patek Philippe noch nicht im Besitz von Aktionären befinden, wird die Fähigkeit, Familieneigentümer von einem Verkauf zu überzeugen, besonders wichtig sein, damit größere Zusammenschlüsse gelingen. Hier hat LVMH einen kleinen Vorteil. In den vergangenen zehn Jahren wurden sechs milliardenschwere Deals getätigt, darunter der Kauf der privat geführten Marken Bulgari und Loro Piana sowie die Übernahme des börsennotierten US-Juweliers Tiffany.

Kering hat im gleichen Zeitraum keinen einzigen Deal im Wert von mehr als einer Milliarde Euro getätigt, während das Management zugleich gute Arbeit beim Turnaround seiner bestehenden Labels leistete. Auch wenn kleine Marken nach der Pandemie wackliger dastehen mögen: Käufer werden trotzdem große Schecks und viel Charme benötigen, um eine Übernahme in trockene Tücher zu bringen.

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July 02, 2021 11:09 ET (15:09 GMT)