Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones)--Kann Friedrich Merz einfach nicht verlieren? Was sich am Samstag nach seiner Niederlage zur Wahl um den CDU-Vorsitz abgespielt hat, lässt einen doch verwundert die Augen reiben. Das Vorgehen von Merz droht, die Partei in zwei Lager zu spalten. Merz verlor auf dem digitalen Bundesparteitag gegen Armin Laschet. Nicht haushoch, aber doch ein klein wenig deutlicher, als noch bei seinem letzten Versuch, wo er sich knapp gegen Annegret Kramp-Karrenbauer geschlagen geben musste.

Aber anders als vor zwei Jahren hat er nun nicht einmal ein paar Tage gewartet, bis er gegen den neuen Parteichef loslegt. Er bietet an, nein er fordert, den Eintritt ins Kabinett. Und zwar in das jetzige Kabinett, das geführt wird von seiner langjährigen Rivalin Angela Merkel. Als wollte er aus seiner Niederlage wenigstens noch so viel Kapital schlagen, dass Merkel mit ihm am Kabinettstisch sitzen oder sogar gehen muss, falls Laschet um des lieben Friedens willen mit ihm darauf besteht.

Oder aber Laschet riskiert, dass Merz ihm mit seinen Anhängern, immerhin fast die Hälfte der CDU-Delegierten, das Leben zur Hölle macht. So wie Kramp-Karrenbauer, die nicht nur wegen eigener Fehler, sondern auch wegen Gegenfeuer aus den Reihen von Merz und seinen Getreuen vor knapp einem Jahr aufgegeben hat.

Was treibt Merz? Wurmt ihn, dass Laschet am Sonntag die Titelblätter als Sieger und er als bittere Verlierer beherrscht? Riskiert er für dies - man ist versucht, es verletzte Eitelkeit zu nennen - erneut die Einheit der CDU, was im Superwahljahr 2021 wichtige Stimmen kosten kann?


   Koch und Kellner 

Laschet hat Merz am Samstag die ausgestreckte Hand hingehalten. Er hätte ihn gerne im Präsidium gesehen. Über seine zukünftige Rolle in der CDU wolle er mit Merz sprechen. Auch CSU-Chef Markus Söder wünscht sich, dass Merz im Team bleibt. Ins Präsidium wollte Merz allerdings nicht. Nach seinem Angebot, wie Merz es selber nennt, ins Kabinett einzutreten, betonte Laschet allerdings, dass eine Kabinettsumbildung kein Thema sei. Auch Merkel ließ abwinken.

Es ist gut möglich, dass Merz die Geduld ausgeht. Er will eine aktive Rolle in der CDU spielen. Bei der Größe der Unterstützung in der Partei ist das auch nicht verwunderlich. Auch befindet er sich seit über zwei Jahren im Dauerwahlkampf. Gegen Kramp-Karrenbauer verlor er im Dezember 2018. Nun erneut gegen Laschet. Für ihn als Wirtschaftsexperten und früheren Aufsichtsratschefs von Blackrock Asset Management Deutschland hat sich die Investition in die Politik nicht ausgezahlt. Er steht ohne Posten da.

Nun pokert er hoch. Und kann viel verlieren. Denn was er am Samstag getan hat, ist auch eine Kampfansage an Laschet. Ihm will er sich nicht unterordnen. Er, der Verlierer, will dem Sieger das weitere Vorgehen diktieren. Nicht hinter verschlossenen Türen, sondern in aller Öffentlichkeit fordert er: Wirf Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier raus und setz mich auf den Posten. Man fragt sich, welche Drohung bei diesem Angebot mitschwingt.

Kann sich der neue CDU-Chef Laschet das gefallen lassen? Kann er ein wandelndes Pulverfass zu einem späteren Zeitpunkt ins Kabinett einbinden? Wer ist Koch und Kellner in der CDU?

Samstagmittag nach seinem Wahlsieg sah es noch so aus, als hätte Laschet als Mannschaftskapitän der CDU eine Chance. Nun allerdings zeigt sich erneut, dass die CDU mit dem Abgang von Merkel von der Parteispitze und mit dem nahenden Abschied aus dem Kanzleramt eine Partei in schwerer See ist. Das Superwahljahr 2021 mit den sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl dürfte turbulent werden.

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January 17, 2021 04:10 ET (09:10 GMT)