Von Justin Lahart

NEW YORK (Dow Jones)--Die Entscheidungsträger der US-Notenbank Fed haben einen weiteren Grund zur Sorge. Sie fürchten, dass die Omikron-Variante die Lieferketten- und Einstellungsprobleme der Unternehmen verschärfen und dadurch die Preise in die Höhe treiben könnte. Das tatsächliche Ergebnis könnte aber anders ausfallen.

Die Pandemie hat zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage geführt, das bemerkenswert hartnäckig geblieben ist. Es gibt eine Reihe von Punkten, die für dieses Ungleichgewicht verantwortlich sind. Corona-Eindämmungsbemühungen in der ganzen Welt verlangsamen die Produktion notwendiger Komponenten, unterbrechen den Schiffsverkehr und drängen Menschen aus dem Arbeitsmarkt. Gleichzeitig lösen sie einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Waren aus, der sich durch staatliche Hilfsmaßnahmen noch verschärft.


   Änderung durch Delta-Variante 

Mit der Einführung von Impfstoffen zu Beginn dieses Jahres hatten die politischen Entscheidungsträger gehofft, dass sich die Knappheit verringern würde. Doch die Delta-Variante und die dadurch ausgelöste Welle neuer Covid-19-Fälle in der ganzen Welt machten dies zunichte.

Und jetzt, gerade als es so aussah, als würden sich die Versorgungsketten etwas entspannen, kommt Omikron, um das man sich ernsthaft Sorgen machen muss. Wie schwerwiegend die Omikron-Welle ausfällt, ist noch völlig unklar. Aber die Fed-Spitzen sind schon einmal vorsorglich beunruhigt, dass sie zu einer neuen Runde von Störungen führen könnte, die die Preise noch weiter in die Höhe treiben.

"Größere Sorgen über das Virus könnten die Bereitschaft der Menschen verringern, zu arbeiten, was den Fortschritt auf dem Arbeitsmarkt verlangsamen und Unterbrechungen in der Versorgungskette verstärken würde", heißt es etwa von Fed-Chef Jerome Powell.


   Kein neuerliches Konjunkturpaket in Sicht 

Der Chef der Fed von New York, John Williams, und die Fed-Chefin aus Cleveland, Loretta Mester, schlagen eine ähnliche Tonlage an, wonach sich Omikron als inflationstreibend erweisen könnte. Ein Unterschied zwischen der Omikron-Situation und früheren Covid-19-Wellen besteht jedoch darin, dass es zum jetzigen Zeitpunkt nicht so aussieht, als würde die Pandemie mit einer vierten Runde von Konjunkturpaketen für die US-Amerikaner zusammenfallen.

Kurz nach Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 wurden an die meisten US-Haushalte Zahlungen geleistet. Eine weitere Runde verteilte das Weiße Haus im vergangenen Dezember, als das Land mitten in einer Winterwelle steckte. Die dritte Auszahlungsrunde erfolgte im März, kurz bevor Delta einsetzte.


   Hohe Barbestände 

Mit jeder dieser Zahlungen erhöhten sich die Bargeldbestände der Haushalte beträchtlich, insbesondere bei den Haushalten mit geringem Einkommen. Eine Analyse von Bankdaten durch das JP-Morgan-Chase-Institut ergab jedoch auch, dass Haushalte mit geringerem Einkommen ihre Ersparnisse schneller aufbrauchen.

Mit dem Auslaufen des verlängerten Arbeitslosengeldes Anfang September entfiel eine weitere Quelle der Unterstützung. Einige Ökonomen haben damit gerechnet, dass die schwindenden Ersparnisse mehr Menschen zurück auf den Arbeitsmarkt treiben würden. Das könnte ein möglicher Faktor hinter dem Anstieg der Erwerbsbeteiligung sein, den der Beschäftigungsbericht für November verzeichnete.


   Zurückhaltung beim Erwerb teurer Güter absehbar 

Omikron könnte bei den Menschen ein neues Zögern bei der Job-Rückkehr auslösen, was den Lohndruck verstärken und es einigen Unternehmen erschweren könnte, die Nachfrage zu befriedigen. Aber ohne eine weitere Runde staatlicher Unterstützung, die die Ersparnisse aufstockt, sollte Omikron auch dazu führen, dass die Menschen weniger bereit sind, Geld auszugeben, als sie es während früherer Covid-19-Wellen waren. Insbesondere die Nachfrage nach teuren Gütern wie Autos, Haushaltsgeräten und Möbeln, die mit am stärksten zum Anstieg der Inflation beigetragen haben, könnte infolgedessen nachlassen.

Omikron wird die Wirtschaft zwar wahrscheinlich vor Probleme stellen, die sich jedoch von denen früherer Wellen wohl unterscheiden.

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December 07, 2021 10:03 ET (15:03 GMT)